Nach Vorstellung der Bildtafeln zu den Umgliederungen der Telegraphentruppe in 1915/16 wird die Serie zu o.a. Bildtafelausstellung mit der Vorstellung der Bildtafel zur Umgliederung und Umbenennung der Telegraphentruppe in Nachrichtentruppe (1917) fortgesetzt.
Oberst a.D. Peter Uffelmann
Obwohl es bereits 1915/16 als Reaktion insbesondere auf die organisatorischen und technischen Defizite zu gravierenden Änderungen der Organisation und Ausrüstung der Telegraphentruppen gekommen war, blieben diese jedoch zunächst nur Einzelmaßnahmen und erst in 1917 kam es zu ihrer grundlegenden Erneuerung sowie Modernisierung, die ab 14. Januar 1917 mit der ersten Reorganisation der Telegraphentruppen gemäß der „Allerhöchsten Kabinets-Ordre“ (A.K.O.) vom 14. Dezember 1916 begann:
- Einsetzung der drei bisherigen „Beauftragten des Chefs der Feldtelegraphie“ („Telba“) als „Generale der Telegraphentruppen“ für die Kriegsschauplätze Ost, West und Südost, denen Heeresgruppen-Fernsprech-Abteilungen unterstellt wurden;
- Umbenennung der „Staboffiziere der Telegraphentruppen“ („Stotel“) bei den Armeeoberkommandos (AOK) in Armee-Fernsprechkommandeure („Akofern“) sowie Verselbständigung der Funkerkommandos bei den Armeen und Umbenennung in Armee-Funkerkommandeure („Akofunk“), die beide den „Generalen der Telegraphentruppen“ fachlich unterstellt wurden;
- Einsetzung von Gruppen-Fernsprech- und ‑Funker-Kommandeuren („Grukofern“ und „Grukofunk“); [1]
- Umbildung der Korps- in Gruppen-Fernsprechabteilungen;
- Umbildung der Fernsprech-Doppelzüge der Divisionen in Divisions-Fernsprech-Abteilungen;
- Aufstellung bzw. Bildung von Armee- und Gruppen-Funker-Abteilungen;
- Aufstellung bzw. Bildung von je einer Inspektion der Fernsprech- und Funkertruppen sowie der Fernsprech- und Funker-Ersatzabteilungen.
Die Führungsorganisation der Telegraphentruppen gemäß A.K.O. vom 14. Dezember 1916
Wichtigste Neuerung war die Aufteilung der Telegraphentruppen, aber zugleich auch ihre „Zersplitterung“ in Fernsprech- und Funkertruppen, außerdem wurden die Inspektionen der Fernsprech- und Funkertruppen aus der Inspektion für das Militärische Verkehrswesen herausgelöst sowie dem Chef der Feldtelegraphie unterstellt – eigentlich erst hiermit wurden die Telegraphentruppen zu einer wirklich eigenständigen Truppengattung.
In den Divisionsstäben wurden zudem „Stabs-Nachrichtenabteilungen“ gebildet, deren Abteilungsleiter zugleich Kommandeure der Divisions-Fernsprech-Abteilungen wurden und fachliche Befehlsbefugnis gegenüber allen Truppenteilen, Teileinheiten und Mitteln der Telegraphentruppen im Divisionsbereich hatten.
Aus den bisher einzelnen „Arendt-Stationen“ bei den Armeen zur Fernsprech- und Erdtelegraphieaufklärung, dem sogenannten „Arendt- oder Abhördienst“ („A‑Dienst”), im Nahbereich der Front wurden Ende Februar 1917 selbstständige „Arendt-Abteilungen“ bei den Armee-Fernsprech-Abteilungen aufgestellt. Einzelne Züge dieser „Arendt-Abteilungen“ wurden dabei mit den Korps und ggf. auch Divisionen auf Zusammenarbeit angewiesen. 1918 wurden diese „Arendt-Abteilungen“ den Korps unterstellt.
Die Ergebnisse der Fernsprech- und Erdtelegraphieaufklärung, aber auch der Funkaufklärung wurden durch Auswertestellen auf Armee- und Heeresgruppen-Ebene sowie beim Gr.HQu. zusammengefasst.
Im März 1917 wurden die Etappen-Fernsprech- und ‑Funkerdepots für Ersatz- und Reparaturzwecke bei den AOK in Armee-Fernsprech- und ‑Funkerparks umbenannt, die dann ab Juli 1917 in Armee-Nachrichtenparks zusammengefasst wurden.
Ebenfalls umbenannt wurden im April 1917 die (Licht-)Signaltrupps, die nun als Blinkertrupps bezeichnet wurden und zur Aufstellung von Blinkerzügen bei den Divisions-Fernsprechabteilungen zusammengefasst wurden.
Auch zusammengefasst zu Armee-Funkerabteilungen wurden Ende Mai 1917 alle Funkmittel der AOK (außer den Fliegerstörstationen) und die „Funker-Kleinabteilungen“ bei den Divisionen wurden in „Divisions-Funkerabteilungen” umbenannt. Die „Fliegerstörstationen“ bei den AOK wurden Anfang Juli 1917 den Gruppenkommandos als sogenannte „Gruppen-Funkstationen“ für Verbindungsaufgaben zugeordnet.
Bild:
Gruppen-Funkstation
Mit einem “Allerhöchsten Erlaß” über die “Neuordnung des Nachrichtenwesens der Armee” verfügte Kaiser Wilhelm II. bereits am 18. Juli 1917 die zweite Reorganisation der Telegraphentruppen und ihre Umbenennung in Nachrichtentruppen. Zum gleichen Zeitpunkt erließ das Kriegsministerium die Weisung über die “Gliederung und Stärkenachweisungen der Nachrichtentruppen im Felde”.
Wichtigste Neuerung war die Wiederaufhebung der Anfang 1917 mit der ersten Reorganisation eingeführten Aufteilung in Fernsprech- und Funkertruppen, außerdem wurden der bisherige „Chef der Feldtelegraphie“ als „Chef des Nachrichtenwesens“ (= „Fernmeldewesen“) sowie Fachvorgesetzter aller Angehörigen der Nachrichtentruppen dem Chef des Generalstabes des Feldheers direkt unterstellt und die bisherigen Abteilungsleiter der „Stabs-Nachrichtenabteilungen“ in den Divisionsstäben wurden in Divisions-Nachrichtenkommandeure („Divkonach“) umbenannt. Durch die gleichzeitige Zusammenfassung der Armee-Fernsprech- und ‑Funkerkommandeure („Akofern“ und „Akofunk“) zu Armee-Nachrichtenkommandeuren („Akonach“) sowie der Gruppen-Fernsprech- und ‑Funker-Kommandeure („Grukofern“ und „Grukofunk“) zu Gruppen-Nachrichtenkommandeuren („Grukonach“) gab es nun auf allen Führungsebenen von Feldheer über Heeresgruppe, Armee und „Gruppe“ bis zur Division jeweils einen einzigen Nachrichtenkommandeur, der auf der jeweiligen Führungsebene für die Sicherstellung von Einsatz und Versorgung der Nachrichtentruppe sowie von Aufklärung durch die Nachrichtentruppe „aus einer Hand“ verantwortlich war.
Die Führungsorganisation der Nachrichtentruppen ab 12. September 1917
Der „Chef des Nachrichtenwesens“ und die Nachrichtentruppe waren damit für alle vorhandenen – auch für die von anderen Truppengattungen entwickelten, u.a. Flieger-Funkentelegraphie, Brieftauben, Meldehunde usw. – sowie künftigen Nachrichtenmittel jeglicher Art, für die Entwicklung und Bereitstellung aller Nachrichtenmittel sowie die Vorbereitung und Leitung der verschiedenen im Nachrichtendienst tätigen Kräfte auf gemeinsamer technischer Grundlage verantwortlich.
Damit verbunden war auch die Entscheidung durch die Oberste Heeresleitung, daß die „Flieger-Funktruppe“ nur noch für Entwicklung und Beschaffung der Bordfunkgeräte verantwortlich blieb, während die Verantwortung für die Bodenfunkgeräte und den Funkbetrieb der Nachrichtentruppe übertragen wurde. Im Januar 1918 ist dann das Personal und Gerät der „Flieger-Funktruppe“ in die Nachrichtentruppe eingegliedert worden.
Außerdem wurden die Blink-/Lichtsignalmittel sowie die Brieftauben und Meldehunde den Divisions-Fernsprechabteilungen zugeordnet.
Bild:
Meldehundestaffel einer Divisions-Fernsprechabteilung vor dem Abmarsch an die Front
Zur Ausbildung von Meldehunden wurden ab Ende August 1917 Melde-Hundeschulen bei den AOK gebildet — fünf im Westen und vier im Osten.
Meldehunde wurden anstatt bzw. ergänzend zu Meldegängern/-läufern für den Transport von Meldungen, Befehlen und Skizzen sowie mit Tragehilfe zum Transport von Brieftauben, Sanitätsmaterial oder Munition nach vorherigem „Einlaufen“ über Entfernungen von 3 — 5 km eingesetzt. Auch leichtes Feldkabel konnten sie bis zu Entfernungen von 500 m „verlegen“. Ab 1916 kamen sie an der Westfront zunächst auf Armee-Ebene, an der Ost- und Südostfront auf Heeresgruppen-Ebene in Meldehunde-Staffeln zum Einsatz. 1917 wurden diese den Divisions-Fernsprechabteilungen zugeordnet und jedes Infanterieregiment hatte darüber hinaus 12 Meldehunde. Ihre Pflege war recht aufwendig. Insgesamt waren gegen Ende des 1. Weltkriegs ca. 20.000 — 30.000 Meldehunde auf deutscher Seite im Einsatz – die Verluste werden auf ca. 20.000 geschätzt.
Vor der 12. Isonzo-Schlacht ab 24. Oktober 1917 (mit dem Durchbruch bei Karfreit und dem deutsch-österreichischen Vorstoß bis zum Tagliamento und Piave) wurde erstmals eine größere Funktäuschung durchgeführt, was dann in 1918 jeweils vor den deutschen Offensiven an der Westfront in Verbindung mit Scheinoperationen regelmäßig wiederholt wurde.
Mitte November 1917 übernahm die Nachrichtentruppe dann das militärische Brieftaubenwesens vollständig von der Pioniertruppe.
Brieftauben waren ein schnelles (60 — 100 km/h), aber nur in einer Richtung (zum Brieftaubenschlag) und tagsüber bei guter Sicht einsetzbares Nachrichtenmittel, die in 140 — 180 m Höhe, aber auch höher ggf. auch bis ca. 1.000 km pro Tag zurücklegen konnten, was aber im Stellungskrieg nicht erforderlich war. Für eine zuverlässige (ca. 95%) Brieftaubenverbindung waren allerdings 3 — 5 Tage „Einfliegezeit“ erforderlich. Dann konnten sie bis zu 12 Gramm (sechs Gramm pro Bein) oder mit Brusttragehilfe bis zu 40 Gramm transportieren.
1914 hatte es auf deutscher Seite neben den ortsfesten Brieftaubenstationen in den Festungen und Grenzgarnisionen zunächst nur eine einzige fahrbare Brieftaubenstation gegeben, die ab Oktober 1914 bei der 5. Armee vor Verdun – u.a. zur Bildaufklärung von gegnerischen Artilleriestellungen – zum Einsatz kam. 1916 gab es jedoch schon ca. 500 fahrbare Brieftaubenschläge auf Armee‑, Korps und Divisionsebene, die ab 1917 zu über 1.000 mit über 100.000 Brieftauben aufwuchsen.
Brieftauben wurden insbesondere nach Einsatz chemischer Kampfstoffe und bei langanhaltendem Artillerietrommelfeuer zur Übermittlung von Meldungen und Skizzen durch Überfliegen der betroffenen Geländeteile eingesetzt. An ihren Einsatz im 1. Weltkrieg erinnert das Heeresbrieftauben-Denkmal in Berlin-Spandau.
Bild:
Transport von Brieftauben in Tragekörben an die Front
Ende 1917 wurden auch noch „Regiments-Nachrichten-Abteilungen“ als „Truppen-Nachrichtenverbindungsdienst“ aufgestellt, die aber bereits nach wenigen Monaten in vier Züge für den Regimentsstab und die drei Bataillone aufgeteilt wurden.
Auch fernmeldetechnisch gab es in 1917 einige Weiterentwicklungen:
- an der Heeres-Nachrichtenschule in Namur wurden im dortigen „Funk-Versuchsfeld“ erste Versuche mit ungedämpften Funkgeräten durchgeführt, die eine wesentlich verbesserte Selektivität und Leistung ermöglichten, aber erst ab 1918 eingesetzt werden konnten;
- durch Niederfrequenz-Röhrenverstärker und Nutzung von „Phantom-Schaltungen“ [2] gelang die Mehrfachausnutzung von Leitungen für den Fernsprech- und ‑schreibbetrieb;
- bei den Infanteriedivisionen wurden verbesserte und leichtere, in Kisten tragbare Mittelwellen-Funkenkleinstationen (“Fuk”) mit 1 – 6 km Reichweite (Kleine, Mittlere und Große Funkenkleinstation „K‑Fuk 16“, „M‑Fuk 16“ und „G‑Fuk 16“) eingeführt.
Bild:
Kleine Funkenkleinstation „K‑Fuk 16“ auf provisorischer Transportkarre
Die Kleine Funkenkleinstation „K‑Fuk 16“ war das erste Einmann-Funkgerät, bestehend aus dem auf der Brust zu tragenden Sende-/Empfangsgerät und dem auf dem Rücken zu tragenden Batteriekasten. Es hatte nur zwei Sendefrequenzen (770 und 1.300 kHz); der Frequenzbereich des Empfängers betrug 630 — 1.670 kHz.
Die Große Funkenkleinstation G‑Fuk 16 musste zum Transport dagegen in 13 Traglasten von bis zu 12 kg zerlegt werden. Sie verfügte über drei Sendefestfrequenzen (545, 667 und 857 kHz) für Sprechfunkbetrieb (A3) und hatte damit eine Reichweite von bis zu 6 km; der Frequenzbereich des Empfängers betrug 100 bzw. 353 — 2.000 kHz. Bis November 1916 wurden 500 G‑Fuk 16 ausgeliefert.
Traglasten des G‑Fuk 16
Insgesamt erreichte die Nachrichtentruppe in 1917 bereits einen Umfang von
- 52 Heeresgruppen- und Armee-Fernsprech-Abteilungen
- 304 Gruppen- und Divisions-Nachrichten-Abteilungen
- 15 Festungs-Fernsprech-Abteilungen
- 377 Besonderen Fernsprech-Zügen
- 247 Funker-Abteilungen
- 46 Besonderen Funkerstationen
- 250 Flughafen-Funkstationen
- 66 Blinker-Züge
- über 1.000 Brieftaubenschläge
- 8 Meldehunde-Staffeln
- 272 Abhörstationen
- 22 Nachrichten-Parks
- 23 Nachrichtenschulen (1x Heeres-Nachrichtenschule in Namur, 22 Armee-Nachrichtenschulen)
- 25 Nachrichten-Ersatz-Abteilungen
Darüber hinaus wurden in 1917 auch noch Sonderformationen der Nachrichtentruppe für “Gas-Regimenter“ und Artillerie-Fliegerschulen an der Ostfront sowie für den Gebirgskrieg in Italien, auf dem Balkan und in Kleinasien aufgestellt.
Quelle:
Tafel 21 der Bildtafelausstellung “Fernmeldetruppen – Gestern und heute”
Weitere Quellen und zusätzliche Informationen zum Thema:
- Das Telegraphen- und Nachrichtenwesen von den Anfängen bis 1939 nach Generalmajor Erich Fellgiebel – in: Telegraphen-/ Nachrichten-/ Fernmeldetruppen und Führungsdienste – Führungsunterstützung seit 1899, Hrsg.: Fernmeldering e.V. 1999 – S. 19 ff.
- Telegraphen-/Nachrichten-/Fernmeldetruppen und Führungsdienste – Führungsunterstützung seit 1899, Hrsg.: Fernmeldering e.V. 1999 – S. 225 ff.
- Recke, Hans-Joachim: Die Entwicklung der Telegraphen- und Nachrichtentruppe in: Antenne-Sonderausgabe „100 Jahre Fernmeldetruppen“, FmS/FSHElT 1999 – S. 6 ff.
- Fernmeldetruppe und Militär auf der Seite von Oberst a.D. Mil. Historiker Dipl. Ing.oec. Hans Georg Kampe (†)
- Goebel, Dieter: Telegraphen-/Nachrichten-/Fernmelde-Truppen – Organisationsdarstellung 1830 — 1980, FmS/FSHEloT 1980
- N.N.: Das Meldehundwesen – in: Telegraphen-/ Nachrichten-/ Fernmeldetruppen und Führungsdienste – Führungsunterstützung seit 1899, Hrsg.: Fernmeldering e.V. 1999 – S. 85 f.
- Finke, Friedrich: Das Heeresbrieftaubenwesen – in: Telegraphen-/ Nachrichten-/ Fernmeldetruppen und Führungsdienste – Führungsunterstützung seit 1899, Hrsg.: Fernmeldering e.V. 1999 – S. 81 ff.
- Larsen, Uwe: Meilensteine der Kommunikationstechnik für das Fernmeldewesen des Heeres – in: „Antenne“-Sonderausgabe „100 Jahre Fernmeldetruppen“, FmS/FSHElT 1999 – S. 18 ff.
- Wikipedia-Eintrag zu „Phantom-Schaltungen“
[1] Als „Gruppen“ wurden ab 1915 die im Stellungskrieg eingesetzten Korps mit ihren wechselnden Divisionen bezeichnet.
[2] Verfahren zur Erhöhung der Anzahl von Übertragungskanälen in Fernkabeln mittels Übertragerkopplungen. Dadurch können über ein Kabel mehrere Kanäle zusätzlich zur Anzahl der Adernpaare übertragen werden.