Verteidigungsminister Boris Pistorius hat am 12. Juni in der Bundespressekonferenz sein Modell für einen neuen, mit Auskunftsverpflichtungen gesteuerten und grundsätzlich freiwilligen Wehrdienst vorgestellt. Er soll im Spannungs- und Verteidigungsfall die personelle Aufwuchs- und Durchhaltefähigkeit der Bundeswehr sicherstellen, nicht aber bestehende Personallücken bei der aktiven Truppe schließen. Der Verteidigungsminister setzt dabei auf einen Auswahlwehrdienst, der auf Freiwilligkeit beruht, im Bedarfsfall aber auch verpflichtende Elemente beinhaltet.
Das neue Wehrdienstmodell sieht vor, daß alle Frauen und Männer mit deutscher Staatsangehörigkeit mit Erreichen des wehrdienstfähigen Alters angeschrieben und erfasst werden. Männer müssen einen Fragebogen u.a. auch zu körperlicher Fitness sowie Motivation ausfüllen und zurücksenden, Frauen können dies freiwillig tun. Auf Grundlage der ausgefüllten Fragebögen erfolgt danach für ca. 10% der Männer eine bedarfsorientierte, aber für die Betroffenen verpflichtende Musterung sowie anschließend die Bestenauswahl der Geeignetsten (unter anderem körperliche Eignung und Fitness) sowie Motiviertesten nach Qualitätskriterien für eine Heranziehung, die den konkreten Bedarfen für die Landes- und Bündnisverteidigung entsprechen. Den Ausgewählten steht dann die Möglichkeit offen, einen sechsmonatigen Grundwehrdienst oder bis zu insgesamt 23 Monate Wehrdienst zu leisten.
Die Kapazitäten der Bundeswehr für den neuen Wehrdienst sind allerdings bei Unterbringung, Ausbildung und Ausrüstung begrenzt: Zum Beginn des neuen Wehrdienstes können jährlich zusätzlich zu den bisher rund 10.000 Freiwilligwehrdienstleistenden rund 5.000 weitere Rekrutinnen und Rekruten ausgebildet werden, was zusätzlich ca. 1,5 Mrd. € pro Jahr erfordert. Diese Zahl der Wehrdienstleistenden wird dann in Abhängigkeit von Unterbringungs‑, Ausbildungs- und Ausrüstungskapazität sowie Bedarf schrittweise jedes Jahr um wenige tausend weiter auf bis zu ca. 15.000 pro Jahr erhöht werden. Das bisherige Modell des Freiwilligen Wehrdienstes wird dabei in das Modell „Neuer Wehrdienst“ überführt.
Als wichtiger Baustein für eine langfristig auf einen Verteidigungsumfang von insgesamt rund 460.000 Soldatinnen und Soldaten (davon rund 200.000 aktive) aufwuchsfähige Bundeswehr wird im Rahmen der Maßnahmen für den neuen Wehrdienst auch die Wehrerfassung und ‑überwachung schrittweise wiederaufgebaut, um im Spannungs- und Verteidigungsfall zu wissen, wer für den Dienst in der Bundeswehr herangezogen werden kann, was nicht nur die neuen Wehrdienstleistenden betrifft, sondern auch die bereits Gedienten.
Mit einer einfachgesetzlichen Änderung mindestens des Wehrpflicht- und Soldatengesetzes soll noch in dieser Legislaturperiode bis Juni 2025 vor der Sommerpause die Grundlage für diesen „Neuen Wehrdienst“ geschaffen werden.
Die Debatte über eine Wehrpflicht oder auch eine Dienstpflicht ist damit auf die nächste Legislaturperiode verschoben und die Reform des Wehrdienstes beschränkt sich auf eine Variante, die offenbar vor dem Hintergrund des derzeitig politisch Machbaren am realisierbarsten erscheint.
Lesen Sie hier die Berichterstattung:
BMVg-Pressemitteilung “Bundesminister der Verteidigung stellt neues Wehrdienstmodell vor“
Bundeswehr.de: Der „Neue Wehrdienst“: Pistorius setzt auf Auswahl und Freiwilligkeit
„Augen geradeaus!“: Dokumentation: Konzept „neuer Wehrdienst“
„Europäische Sicherheit und Technik“: „Neuer Wehrdienst“ – Pistorius stellt seinen Plan vor
„cpm Defence Network: Verteidigungsminister stellt Konzept „Neuer Wehrdienst“ vor
und „hartpunkt“: Pistorius schlägt sechsmonatigen Wehrdienst für ausgewählte Rekruten vor