Tafel 41 der Bildtafelausstellung “Fernmeldetruppen – Gestern und heute”

Nach Vor­stel­lung der Bild­ta­fel zum Ein­satz der Hee­res-Nach­rich­ten­trup­pe im Ruß­land­feld­zug (1941 — 1944) wird die Serie zu o.a. Bild­ta­fel­aus­stel­lung mit der Vor­stel­lung der Bild­ta­fel zu Hee­res-Nach­rich­ten­trup­pe und 20. Juli 1944 fort­ge­setzt.    

Oberst a.D. Peter Uffel­mann

Vor­be­mer­kung:
Gene­ral der Nach­rich­ten­trup­pe Erich Fell­gie­bel hat auf­grund sei­ner Mit­wir­kung am mili­tä­ri­schen Wider­stand vom 20. Juli 1944 einen fes­ten Platz in der Tra­di­ti­on der Bun­des­wehr und auch in der Tra­di­ti­ons­pfle­ge des Fern­mel­de­rings e.V.. In die­sem Zusam­men­hang erhielt die Kaser­ne des heu­ti­gen Aus­bil­dungs­zen­trums Cyber- und Infor­ma­ti­ons­raum (Aus­bZ CIR) in Pöcking bei Starn­berg 1960 den Namen „Gene­ral-Fell­gie­bel-Kaser­ne“.
Die aktu­el­len RICHTLINIEN ZUM TRADITIONSVERSTÄNDNIS UND ZUR TRADITIONSPFLEGE der Bun­des­wehr ent­hal­ten jedoch zum The­ma „Wehr­macht“ unter Nr. 3.4.1 fol­gen­de Klar­stel­lung, auf die in die­sem Zusam­men­hang hin­ge­wie­sen wer­den soll: „Der ver­bre­che­ri­sche NS-Staat kann Tra­di­ti­on nicht begrün­den. Für die Streit­kräf­te eines demo­kra­ti­schen Rechts­staa­tes ist die Wehr­macht als Insti­tu­ti­on nicht tra­di­ti­ons­wür­dig. Glei­ches gilt für ihre Trup­pen­ver­bän­de sowie Orga­ni­sa­tio­nen, die Mili­tär­ver­wal­tung und den Rüs­tungs­be­reich.  
Die Auf­nah­me ein­zel­ner Ange­hö­ri­ger der Wehr­macht in das Tra­di­ti­ons­gut der Bun­des­wehr ist dage­gen grund­sätz­lich mög­lich. Vor­aus­set­zung dafür ist immer eine ein­ge­hen­de Ein­zel­fall­be­trach­tung sowie ein sorg­fäl­ti­ges Abwä­gen. Die­ses Abwä­gen muss die Fra­ge per­sön­li­cher Schuld berück­sich­ti­gen und eine Leis­tung zur Bedin­gung machen, die vor­bild­lich oder sinn­stif­tend in die Gegen­wart wirkt, etwa die Betei­li­gung am mili­tä­ri­schen Wider­stand gegen das NS-Regime oder beson­de­re Ver­diens­te um den Auf­bau der Bun­des­wehr.“

Den Plan zum Staats­streich vom 20. Juli 1944 hat­ten die Ange­hö­ri­gen des mili­tä­ri­schen Wider­stands mit einem regu­lä­ren Plan der Wehr­macht zur Mobil­ma­chung der Ersatz- und Aus­bil­dungs­trup­pen im Fall eines inne­ren Not­stands ver­bun­den. Für das Gelin­gen die­ses „Unter­neh­mens Wal­kü­re“ [1] war es u.a. wich­tig, die Befeh­le zu sei­ner Durch­füh­rung an die Wehr­kreis­be­fehls­ha­ber (WKBefh) in Deutsch­land sowie an die Wehr­machts- bzw. Mili­tär­be­fehls­ha­ber (Wm-/Mil­Befh) in den besetz­ten Gebie­ten Euro­pas zu über­mit­teln sowie gleich­zei­tig zumin­dest zeit­wei­se zu ver­hin­dern, daß die­se Gegen­be­feh­le aus dem Füh­rer­haupt­quar­tier (FHQ) erhiel­ten. Dar­über hin­aus muss­ten die Nach­rich­ten­ver­bin­dun­gen zur Füh­rung der deut­schen Streit­kräf­te an allen Fron­ten unein­ge­schränkt auf­recht­erhal­ten wer­den – ins­be­son­de­re zur Hee­res­grup­pe Mit­te auf ihrem Rück­zug aus Weiß­ruß­land auf­grund der sowje­ti­schen Som­mer­of­fen­si­ve („Ope­ra­ti­on Bagra­ti­on“) und zum Ober­be­fehls­ha­ber West bei sei­nem Abwehr­kampf gegen die alli­ier­te Inva­si­on in der Nor­man­die („Ope­ra­ti­on Over­lord“).

Mili­tä­ri­sche Lage an der Ost- und West­front sowie in Ita­li­en am 20. Juli 1944, Gra­phik: Quel­le 11, Abschnitt 2.1

Inso­fern war es von gro­ßer Bedeu­tung, daß das Spit­zen­per­so­nal des Hee­res­nach­rich­ten­we­sens (HNW) und der Wehr­machts­nach­rich­ten­ver­bin­dun­gen (WNV), Gene­ral der Nach­rich­ten­trup­pe (Gen­Nach­rTr) Erich Fell­gie­bel als Chef des HNW und der WNV, Gene­ral­leut­nant (GenLt) Fritz Thie­le als Chef der Amts­grup­pe WNV und Oberst d.G. Kurt Hahn als Chef des Sta­bes HNW am Wider­stand gegen das NS-Regime mit­wirk­te und am 20. Juli 1944 an der Durch­füh­rung der Maß­nah­men des „Unter­neh­mens Wal­kü­re“ betei­ligt war.
Gen­Nach­rTr Fell­gie­bel konn­te dabei auf­grund sei­ner Posi­ti­on dem mili­tä­ri­schen Wider­stand Zugangs­mög­lich­kei­ten sowie Infor­ma­tio­nen zu und über alle Wehr­machts­trup­pen­tei­le, aber auch Indus­trie­un­ter­neh­men sowie die Lage an allen Fron­ten und Zugriff auf die Nach­rich­ten­ver­bin­dun­gen zur Durch­ga­be der „Walküre“-Befehle ver­schaf­fen. Er selbst konn­te unein­ge­schränkt umher­rei­sen sowie dabei Kon­tak­te knüp­fen bzw. hal­ten, und spä­tes­tens seit Febru­ar 1943 bemüh­te er sich zusam­men mit GenLt Thie­le und Oberst d.G. Hahn, wei­te­re Mit­strei­ter für den Wider­stand zu gewin­nen. Ins­be­son­de­re mit die­sen Kom­mu­ni­ka­ti­ons­exper­ten auf sei­ner Sei­te konn­te Oberst i.G. Graf von Stauf­fen­berg an die Pla­nung eines umfas­sen­den Staats­strei­ches auch mit grö­ße­ren Trup­pen­be­we­gun­gen gehen.

Für Gen­Nach­rTr Fell­gie­bel – mit den Gene­ra­len des Ober­kom­man­dos der Wehr­macht (OKW) und des Ober­kom­man­dos des Hee­res (OKH) stets in der Nähe des FHQ in Ost­preu­ßen, des „Berg­hofs“ bei Berch­tes­ga­den oder der Reichs­kanz­lei in Ber­lin – war Hit­ler aller­dings per­sön­lich und in für die Ver­schwö­rung nütz­li­cher Wei­se so gut wie unzu­gäng­lich, weil er Hit­ler miß­li­e­big und aus sei­ner unmit­tel­ba­ren Umge­bung ver­bannt wor­den war. Statt­des­sen war der Wehr­machts­nach­rich­ten­of­fi­zier im FHQ, Oberst­leut­nant Ludolf Ger­hard San­der Hit­lers Ansprech­stel­le für alle Fra­gen des Nach­rich­ten­ver­bin­dungs­we­sens.
Von Beginn an waren des­halb die Auf­ga­ben von Gen­Nach­rTr Fell­gie­bel im Rah­men des „Unter­neh­mens Wal­kü­re“ klar umris­sen: Er soll­te und woll­te dafür sor­gen, daß die „Wal­kü­re-Befeh­le“ der Ver­schwö­rer rei­bungs­los durch­ge­ge­ben, alle ande­ren Nach­rich­ten aber zumin­dest zeit­lich ver­zö­gert wür­den. Etwas zer­stö­ren oder gar spren­gen, wie spä­ter behaup­tet wur­de, soll­te er nicht – das hät­te auch gar nicht funk­tio­niert, denn das Nach­rich­ten­ver­bin­dungs­sys­tem der Wehr­macht war bewusst dezen­tral sowie red­un­dant auf­ge­baut und damit sicher gegen Sabo­ta­ge, ein Ergeb­nis sei­nes eige­nen Per­fek­tio­nis­mus. Außer­dem hat­te er außer­halb der soge­nann­ten „OKW-Kriegs­schau­plät­ze“ kei­nen Zugriff auf die Nach­rich­ten­ver­bin­dun­gen von Kriegs­ma­ri­ne, Luft­waf­fe und SS. Dar­über hin­aus hat­ten die­se, aber auch die NSDAP in der Nähe des FHQ „Wolfs­schan­ze“ Funk­stel­len, auf die er kei­nen bzw. nur unzu­rei­chen­den Ein­fluß hat­te. Im Ver­trau­en auf das Gelin­gen des Atten­tats und das Cha­os in den ers­ten Stun­den nahm er sich jedoch vor, je nach Lage aktiv ein­zu­grei­fen. 
Hit­lers Anord­nung nach dem miß­lun­ge­nen Atten­tat auf ihn, bis auf Wider­ruf eine Nach­rich­ten­sper­re zu ver­hän­gen, kam die­ser Absicht von Gen­Nach­rTr Fell­gie­bel ent­ge­gen: Oberst­leut­nant San­der ließ sofort alle Nach­rich­ten­ver­bin­dun­gen in der FHQ-Ver­mitt­lung im Sperr­kreis I – aller­dings nicht auch im Sperr­kreis II – unter­bre­chen und befahl den Tele­fo­nis­ten, zwei Meter Abstand von den Ver­mitt­lungs­schrän­ken ein­zu­hal­ten. 

Gebäu­de­plan des FHQ „Wolfs­schan­ze“ am 20. Juli 1944, 

Gra­phik: Quel­le 12   

Gen­Nach­rTr Fell­gie­bel hat­te dabei die Geis­tes­ge­gen­wart, trotz des offen­sicht­li­chen Über­le­bens von Hit­ler den Staats­streich par­al­lel dazu durch ent­spre­chen­de Infor­ma­ti­on von GenLt Thie­le und Oberst d.G. Hahn wie geplant anlau­fen zu las­sen – solan­ge es ging, denn das Über­le­ben Hit­lers hat­te alles geän­dert: Nie­mand aus des­sen Umge­bung wür­de von Gen­Nach­rTr Fell­gie­bel Befeh­le anneh­men, aber viel­leicht wür­de er den ande­ren Ver­schwö­rern im Bend­ler-Block in Ber­lin die ent­schei­den­den Stun­den zum Gelin­gen des „Unter­neh­mens Wal­kü­re“ ver­schaf­fen kön­nen.

GenLt Thie­le war seit April 1942 Chef der Amts­grup­pe WNV, des Teils der Nach­rich­ten­füh­rungs­or­ga­ni­sa­ti­on mit dem Gen­Nach­rTr Fell­gie­bel sowohl Zugriff auf die Nach­rich­ten­ver­bin­dun­gen der Wehr­macht in den rück­wär­ti­gen Berei­chen der Hee­res­grup­pen und auf den soge­nann­ten „OKW-Kriegs­schau­plät­zen“ hat­te, als auch star­ken Ein­fluss auf die Nach­rich­ten­ver­bin­dun­gen der Deut­schen Reichs­post neh­men konn­te. Zu ihm dürf­te Gen­Nach­rTr Fell­gie­bel schon seit Sep­tem­ber 1939 in sei­ner frü­he­ren Ver­wen­dung als Chef des Sta­bes HNW ein beson­de­res Ver­trau­ens­ver­hält­nis gehabt haben.[2] Am 20. Juli 1944 befand er sich am Dienst­sitz der Amts­grup­pe WNV im Bend­ler-Block in Ber­lin und soll­te dort sicher­stel­len, daß die „Wal­kü­re-Befeh­le“ der Ver­schwö­rer rei­bungs­los durch­ge­ge­ben, alle ande­ren Nach­rich­ten aber zumin­dest zeit­lich ver­zö­gert wür­den.

Füh­rungs­or­ga­ni­sa­ti­on des Hee­res­nach­rich­ten­we­sens und der Wehr­machts­nach­rich­ten­ver­bin­dun­gen ab 01.10.1941,

Gra­phik: Bild­ta­fel 41

Oberst d.G. Kurt Hahn war seit April 1942 Nach­fol­ger des dama­li­gen Gene­ral­ma­jors Thie­le als Chef des Sta­bes HNW und hat­te ein gutes per­sön­li­ches Ver­hält­nis zu Gen­Nach­rTr Fell­gie­bel, von dem er in die Umsturz­plä­ne ein­ge­weiht wor­den war. Am 20. Juli 1944 war er im Lager „Mau­er­wald“ des OKH in der Nähe des FHQ und hat­te sicher­zu­stel­len, daß einer­seits die Hee­res-Nach­rich­ten­ver­bin­dun­gen zur Füh­rung der Ober­kom­man­dos der Hee­res­grup­pen und Armeen auch nach dem Atten­tat, über das ihn Gen­Nach­rTr Fell­gie­bel tele­fo­nisch infor­miert hat­te, an allen Fron­ten unein­ge­schränkt auf­recht­erhal­ten wur­den, ande­rer­seits aber über die­se Nach­rich­ten­ver­bin­dun­gen kei­ne Infor­ma­tio­nen aus dem FHQ über­mit­telt wer­den konn­ten.

In die­sem Zusam­men­hang war der 20. Juli 1944 ursprüng­lich als „Umschalt­tag“ für die im FHQ „Wolfs­schan­ze“ und auf der Ver­mitt­lung „Anna“ des OKH im Lager „Mau­er­wald“ auf­lie­gen­den Nach­rich­ten­ver­bin­dun­gen vor­ge­se­hen gewe­sen. Da die sowje­ti­schen Trup­pen nur noch etwa 100 km vom FHQ „Wolfs­schan­ze“ ent­fernt waren, hat­te man auf Befehl Hit­lers bereits mit der Ver­le­gung von OKW und OKH nach Ber­lin bzw. Zos­sen begon­nen. Ver­schie­de­ne Berei­che – so auch Tei­le des Sta­bes HNW – befan­den sich des­halb bereits in Zos­sen, ande­re noch im Lager „Mau­er­wald“. Im Hin­blick auf die Nach­rich­ten­ver­bin­dun­gen hat­te man dazu die in den ost­preu­ßi­schen Ver­mitt­lun­gen bestehen­den Schal­tun­gen in Zos­sen genau kopiert: Selbst die Bezeich­nun­gen der Ver­mitt­lun­gen waren die glei­chen wie in Ost­preu­ßen, nur jeweils mit dem Zusatz „Bu“ für Bun­ker. So bestand im Juli 1944 z.B. neben der Ver­mitt­lung „Anna“ im Lager „Mau­er­wald“ auch noch „Anna-Bu“ in Zos­sen und neben „Emma“ – dem DRP-Amt in Löt­zen – gab es „Emma-Bu“ eben­falls im Nach­rich­ten­bun­ker „Zep­pe­lin“ in Zos­sen. Auf die Nach­rich­ten­ver­bin­dun­gen des FHQ und OKW hat­te die­se „Dou­blie­rung“ aller­dings kei­ne unmit­tel­ba­ren Aus­wir­kun­gen und hat die­se höchs­tens unwe­sent­lich behin­dert.

„Dou­blier­te“ Nach­rich­ten­ver­bin­dun­gen im Juli 1944 zwi­schen den OKH-Teil­stä­ben in Zos­sen und Lager „Mau­er­wald“ sowie FHQ und den Ober­kom­man­dos an der West­front,

Gra­phik: Bild­ta­fel 41

Gen­Nach­rTr Fell­gie­bel hat­te außer der „Sper­rung“ der Nach­rich­ten­ver­bin­dun­gen [3] die Ver­stän­di­gung der Ver­schwö­rer in Ber­lin über­nom­men und hat die­se auch aus­ge­führt: An die Sekre­tä­rin sei­nes ver­ein­ba­rungs­ge­mäß auf das Stich­wort „Wal­kü­re“ war­ten­den, jedoch zeit­wei­se nicht erreich­ba­ren Chefs der Amts­grup­pe WNV, GenLt Thie­le, hat­te er aber statt­des­sen mehr­deu­tig tele­fo­nisch durch­ge­ben las­sen, es sei etwas Furcht­ba­res gesche­hen, der Füh­rer lebe, und hat­te die­se dann noch per­sön­lich auf die Wich­tig­keit der Mel­dung an GenLt Thie­le hin­ge­wie­sen.
Obwohl GenLt Thie­le ver­mut­lich bereits so vom geschei­ter­ten Atten­tat erfuhr und auch wuss­te, daß Gen­Nach­rTr Fell­gie­bel trotz­dem aufs Gan­ze gehen woll­te, behielt er das zunächst für sich. Offen­sicht­lich ver­stand er den – im Bei­sein des nicht ein­ge­weih­ten Oberst­leut­nants San­der – gespro­che­nen Satz “Es ist etwas Furcht­ba­res pas­siert, der Füh­rer lebt – Alles blo­ckie­ren !” nicht als Auf­for­de­rung, trotz Hit­lers Über­le­ben wei­ter wie geplant vor­zu­ge­hen – oder er woll­te es nicht ver­ste­hen.

Für die Mit­ver­schwo­re­nen, vor allem GenLt Thie­le und den durch ihn infor­mier­ten Gene­ral der Infan­te­rie (Gen­Inf) Fried­rich Olbricht, Amts­chef des All­ge­mei­nen Hee­res­amts und des Wehr­ersatz­amts mag die Lage sowie wei­te­re Absicht tat­säch­lich nicht ganz ein­deu­tig gewe­sen sein. Gen­Inf Olbricht, Gene­ral­oberst a.D. Erich Hoep­ner – bei Gelin­gen des Pla­nes als „Ober­be­fehls­ha­ber im Hei­mat­kriegs­ge­biet“ vor­ge­se­hen – sowie GenLt Thie­le gin­gen inso­fern zunächst zum Mit­tag­essen und unter­nah­men auch danach so gut wie nichts zuguns­ten des Staats­strei­ches, bis Oberst i.G. Graf von Stauf­fen­berg selbst wie­der in Ber­lin war. Als auch Oberst d.G. Hahn in einem wei­te­ren Tele­fo­nat aus dem OKH-Lager „Mau­er­wald“ GenLt Thie­le bestä­tig­te, daß Hit­ler das Atten­tat über­lebt hat­te, wur­den die im Wal­kü­re-Plan vor­ge­se­he­nen Maß­nah­men vor­erst nur teil­wei­se aus­ge­löst.
GenLt Thie­le selbst wand­te sich dar­über hin­aus gegen die Fort­set­zung des Umsturz­ver­suchs und hob – nach Auf­he­bung der Nach­rich­ten­sper­re im FHQ – auch die Nach­rich­ten­sper­re in Ber­lin zu dem Zeit­punkt auf, als die Aktio­nen sei­ner Mit­ver­schwö­rer nach Ankunft von Oberst i.G. Graf von Stauf­fen­berg in Ber­lin anlie­fen, wodurch Infor­ma­tio­nen über das geschei­ter­te Atten­tat und Gegen­be­feh­le an die WKBefh in Deutsch­land sowie an die Wm- bzw. Mil­Befh in den besetz­ten Gebie­ten Euro­pas wei­ter­ge­lei­tet konn­ten, ver­ließ den Bend­ler-Block und nahm im Reichs­si­cher­heits­haupt­amt Ver­bin­dung mit dem Lei­ter des SS-Aus­lands­nach­rich­ten­diens­tes, SS-Bri­ga­de­füh­rer und Gene­ral­ma­jor der Poli­zei Wal­ter Schel­len­berg auf, um sich aus sei­ner Betei­li­gung am „Unter­neh­men Wal­kü­re“ her­aus­zu­win­den. Als Gen­Nach­rTr Fell­gie­bel von all­dem erfuhr, sag­te er zu einem Ver­trau­ten: “Damit kommt Thie­le nicht durch. So kann man es nicht machen – weder als Mensch, noch als Offi­zier.”

Oberst i.G. Graf von Stauf­fen­berg aber, als er nach sei­ner Lan­dung in Rangsdorf erfuhr, dass „Wal­kü­re“ noch nicht aus­ge­löst war, rief vom Flug­ha­fen aus Gen­Inf Olbricht an, beteu­er­te, Hit­ler sei tot, und dräng­te ihn, noch vor sei­ner Wei­ter­fahrt nach Ber­lin „Wal­kü­re“ aus­zu­lö­sen. Dar­auf­hin begann des­sen Chef des Sta­bes, Oberst i.G. Albrecht Rit­ter Mertz von Quirn­heim, per Fern­schrei­ben und Tele­fon, aber ohne Kennt­nis des dazu allein – außer Hit­ler – auto­ri­sier­ten Befehls­ha­bers des Ersatz­hee­res, Gene­ral­oberst Fried­rich Fromm mit der Durch­ga­be der „Wal­kü­re-Befeh­le“. Vor dem Ver­sen­den der ers­ten Serie an Fern­schrei­ben wur­de jedoch eine fol­gen­schwe­re admi­nis­tra­ti­ve Fehl­ent­schei­dung getrof­fen: Der Adju­tant von Oberst i.G. Graf von Stauf­fen­berg, Haupt­mann Fried­rich Karl Klaus­ing ließ sie auf Rück­fra­ge zwar mit höchs­ter Dring­lich­keits­stu­fe „FRR“ ein­stu­fen, außer­dem aber auch als „Gehei­me Kom­man­do­sa­che“ (GKDOS) klas­si­fi­zie­ren. Als letz­te­re konn­ten sie jedoch nicht gleich­zei­tig an die jeweils 20 Emp­fän­ger durch­ge­ge­ben wer­den, son­dern muss­ten zunächst ver­schlüs­selt und dann ein­zeln sowie sei­ten­wei­se ver­sandt wer­den. Außer­dem stan­den dafür statt etwa zwan­zig nor­ma­len Fern­schreib­ma­schi­nen nur vier Schlüs­sel-Fern­schreib­ma­schi­nen T 52 zur Ver­fü­gung: So dau­er­te es etwa drei Stun­den, bis das letz­te die­ser Fern­schrei­ben zur Aus­lö­sung von „Wal­kü­re“ den Emp­fän­ger erreicht hat­te. Und da damals auch ein Luft­an­griff auf Mün­chen statt­fand, wur­de „Wal­kü­re“ zum Bei­spiel in Bay­ern gar nicht aus­ge­löst.

Ers­te Sei­te des ers­ten, vier­sei­ti­gen „Wal­kü­re-Fern­schrei­bens“, 

Bild: Quel­le 11 – Abschnitt 2.5

Wei­te­re Fern­schrei­ben mit Aus­füh­rungs­de­tails tra­fen, wenn­gleich mitt­ler­wei­le nur noch als „Geheim“ klas­si­fi­ziert, erst danach ein.

Ers­te Sei­te des zwei­ten, drei­sei­ti­gen „Wal­kü­re-Fern­schrei­bens“, 

Bild: Quel­le 11 – Abschnitt 2.6

Hin­zu kam erschwe­rend, daß eini­ge die­ser Fern­schrei­ben unbe­merkt auch an das Füh­rer­haupt­quar­tier gesandt wur­den, weil die­ses nicht aus dem übli­chen Ver­tei­ler ent­fernt wor­den war. So war man dort gut über das geplan­te Vor­ge­hen der Ver­schwö­rer infor­miert und jene Fern­schrei­ben über­schnit­ten sich teil­wei­se schon mit dem Fern­schrei­ben von Gene­ral­feld­mar­schall Wil­helm Kei­tel, in dem die­ser jene Fern­schrei­ben für ungül­tig erklär­te und mit­ge­teilt hat­te: „Der Füh­rer lebt! Völ­lig gesund!“, aber auch mit ent­spre­chen­den Rund­funk­mel­dun­gen.

Für das Abset­zen die­ser Fern­schrei­ben war der Nach­rich­ten­of­fi­zier und Lei­ter der Nach­rich­ten­zen­tra­le bzw. des Nach­rich­ten­be­triebs im Bend­ler-Block, Ober­leut­nant [4] Wolf­ram Röh­rig ver­ant­wort­lich. Da er nicht in die Ver­schwö­rung ein­ge­weiht war, konn­te er die vol­le Bri­sanz der „Wal­kü­re-Befeh­le“ zwar nicht erken­nen, bekam aller­dings zuneh­men­de Zwei­fel, ließ aber zunächst alle Befeh­le vor­schrifts­mä­ßig, jedoch schlep­pend abset­zen. Nach Mel­dung sei­ner Beden­ken und der bereits ver­an­lass­ten Ver­zö­ge­run­gen an sei­nen Abtei­lungs­lei­ter, ließ er wei­te­re Fern­schrei­ben der Ver­schwö­rer nicht mehr abset­zen. Dage­gen ver­an­lass­te er die Wei­ter­lei­tung eines Fern­schrei­bens von Gene­ral­feld­mar­schall Wil­helm Kei­tel an alle WKBefh, wonach nur noch den Befeh­len von SS-Reichs­füh­rer Himm­ler als neu­em Befehls­ha­ber des Ersatz­hee­res zu fol­gen sei, und ließ alle bis­he­ri­gen Fern­schrei­ben für ungül­tig erklä­ren. Wohl dafür, daß er die Über­mitt­lung der „Walküre“-Fernschreiben ver­zö­gert und schließ­lich unter­bun­den hat­te, wur­de er nach dem 20. Juli 1944 vor­ran­gig zum Haupt­mann beför­dertNach dem 2. Welt­krieg mach­te er aller­dings tech­ni­sche sowie admi­nis­tra­ti­ve Pro­ble­me für die schlep­pen­de Wei­ter­lei­tung der Fern­schrei­ben der Ver­schwö­rer gel­tend, wäh­rend ihn Fern­schrei­ben aus dem FHQ gar nicht erreicht hät­ten, und bekann­te sich nun im Nach­hin­ein zu den Zie­len der Ver­schwö­rer, die er ger­ne unter­stützt hät­te, da ihm sei­ne Freund­schaft zu dem Kaba­ret­tis­ten Wer­ner Finck die Augen geöff­net hät­te. Das bewuss­te Ver­schlep­pen der Nach­rich­ten­über­mitt­lung wäre dage­gen eine Schutz­be­haup­tung gewe­sen, mit der die Wehr­machts­füh­rung im Nach­hin­ein die eige­nen Sol­da­ten und Mit­ar­bei­te­rin­nen vor den Nach­for­schun­gen der Gehei­men Staats­po­li­zei schüt­zen woll­te.

Ins­ge­samt kam u.a. wegen die­ser admi­nis­tra­ti­ven, tech­ni­schen und orga­ni­sa­to­ri­schen Män­gel bei der Über­mitt­lung der „Wal­kü­re-Fern­schrei­ben“ die geplan­te Fest­nah­me der SS- und SD-Füh­rer sowie ‑Ein­hei­ten nur in Paris und Wien zustan­de, da die meis­ten die­ser Fern­schrei­ben die WKBefh sowie die Wm- bzw. Mil­Befh viel zu spät erreich­ten, als die Gegen­maß­nah­men des NS-Regimes schon zu grei­fen began­nen.[5]

Nach der Ver­haf­tung von Gen­Nach­rTr Fell­gie­bel noch am 20. Juli 1944 wur­de der Chef der Amts­grup­pe WNV, GenLt Thie­le, mit der Füh­rung des Hee­res- und Wehr­machts-Nach­rich­ten­ver­bin­dungs­we­sens beauf­tragt. Als auch die­ser auf­grund von ihm abge­zeich­ne­ter Doku­men­te, die sich mit der nach­rich­ten­tech­ni­schen Vor­be­rei­tung des „Unter­neh­mens Wal­kü­re“ befass­ten, und sei­nes, ihn schwer belas­ten­den Tele­fon­ta­ge­buchs am 11. August ver­haf­tet wur­de, hol­te sich der amtie­ren­de Chef des Gene­ral­sta­bes des Hee­res, Gene­ral­oberst  Heinz Gude­ri­an, sei­nen ehe­ma­li­gen – inzwi­schen als Kom­man­deur die 277. Infan­te­rie-Divi­si­on in der Nor­man­die füh­ren­den – Nach­rich­ten­füh­rer GenLt Albert Praun zurück und ver­an­lass­te – unter Beför­de­rung zum Gen­Nach­rTr – sei­ne Beru­fung zum Chef des HNW und der WNV.

Ins­ge­samt trug das zuver­läs­si­ge Funk­tio­nie­ren der HNach­rTr und der durch sie bereit­ge­stell­ten Nach­rich­ten­ver­bin­dun­gen auch am 20. Juli 1944 mit dazu bei, daß einer­seits über­haupt ers­te Maß­nah­men des „Unter­neh­mens Wal­kü­re“ ein­ge­lei­tet, aber ande­rer­seits auch die Gegen­be­feh­le zu sei­ner Nie­der­schla­gung wei­ter­ge­lei­tet wer­den konn­ten. 
Selbst Gen­Nach­rTr Fell­gie­bel konn­te dies letzt­lich nicht ver­hin­dern, wäh­rend GenLt Thie­le die den Ver­schwö­rern in Ber­lin durch die Nach­rich­ten­sper­re im FHQ zunächst ver­schaff­te Zeit in einer Mischung aus Läh­mung sowie Unschlüs­sig­keit ver­strei­chen ließ und sich spä­ter u.a. durch Auf­he­bung der Nach­rich­ten­sper­re auch in Ber­lin gegen die Fort­set­zung des Umsturz­ver­suchs wand­te sowie ver­such­te, sich aus sei­ner Betei­li­gung am „Unter­neh­men Wal­kü­re“ her­aus­zu­hal­ten. Man kann ihm aller­dings zu Gute hal­ten, daß er nach dem offen­sicht­li­chen Schei­tern des Atten­tats auf Hit­ler und der abseh­ba­ren Fol­gen nie­man­den mehr in den Umsturz­ver­such hin­ein­zie­hen woll­te.

Quel­le:

Tafel 41 der Bild­ta­fel­aus­stel­lung “Fern­mel­de­trup­pen – Ges­tern und heu­te”



Wei­te­re Quel­len und zusätz­li­che Infor­ma­tio­nen zum The­ma:

  1. Mey­er, Wilhelm/Steinborn, Hart­mut: Wider­stand gegen den Natio­nal­so­zia­lis­mus durch Offi­zie­re der Nach­rich­ten­trup­pe – Gene­ral der Nach­rich­ten­trup­pe Erich Fell­gie­bel, Gene­ral­leut­nant Fritz Thie­le und Oberst d.G. Kurt Hahn, in: Bespie­le zur Tra­di­ti­ons­pfle­ge aus der FmTr FmVbdgD­st; FmS/FSHELT – Grp Weiterentwicklung/ Dezer­nat 2, Pöcking – Mai 2001
  2. Schrenk, Georg: Erich Fell­gie­bel, Gene­ral der Nach­rich­ten­trup­pe — „Vor­bild als Sol­dat und Mensch“; in: Tele­gra­phen-/ Nach­rich­ten-/ Fern­mel­de­trup­pen und Füh­rungs­diens­te – Füh­rungs­un­ter­stüt­zung seit 1899, Hrsg.: Fern­mel­de­ring e.V. 1999 – S. 89 ff.
  3. Schrenk, Georg: Erich Fell­gie­bel, Gene­ral der Nach­rich­ten­trup­pe; in: Anten­ne-Son­der­aus­ga­be „100 Jah­re Fern­mel­de­trup­pen“, FmS/FSHElT 1999 – S. 15 ff.
  4. Keil, Lars-Bro­der: Ein Ver­schwö­rer, der lan­ge als Ver­sa­ger galt; in: WELT, Stauf­fen­berg-Serie 2 v. 17. Juli 2012 unter 
  5. Keil, Lars-Bro­der: Erich Fell­gie­bel (1886 — 1944) – »Man muss eben mal sei­nen Kopf ris­kie­ren«, in: Voll­mer, Antje/Keil, Lars-Bro­der: Stauf­fen­bergs Gefähr­ten – Das Schick­sal der unbe­kann­ten Ver­schwö­rer, Bonn 2013(bpb-Schriftenreihe Band 1347) – S. 45 ff.
  6. Hoff­mann, Peter: ZU DEM ATTENTAT IM FÜHRERHAUPTQUARTIER „WOLFSSCHANZE” AM 20. JULI 1944; in: Vier­tel­jahrs­hef­te für Zeit­ge­schich­te 1964, Heft 3 – S. 254 ff.
  7. Hoff­mann, Peter: WARUM MISSLANG DAS ATTENTAT VOM  20. JULI 1944?; in: Vier­tel­jahrs­hef­te für Zeit­ge­schich­te 1984, Heft 3 – S. 441 ff. 
  8. Hei­ne­mann, Win­fried: Gene­ral Erich Fell­gie­bel und die Rol­le der Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tel am 20. Juli 1944, in: ders. (Hrsg.), Füh­rung und Füh­rungs­mit­tel, Pots­dam 2011 – S. 57 — 66
  9. Hei­ne­mann, Win­fried: Das Ende des Staats­streichs – Die Nie­der­schla­gung des 20. Juli 1944 im Bend­ler­block, in: Vier­tel­jahrs­hef­te für Zeit­ge­schich­te 2020, Heft 1 – S. 1 ff.
  10. Hel­me­cke, Chris: Der 20. Juli 1944 – Pro­to­koll eines Staats­strei­ches,
  11. Nee­be, Rein­hard (Hrsg.): Gene­ral Erich Fell­gie­bel und der 20. Juli 1944 – Mili­tär­kar­rie­re und Fami­lie — Atten­tat — Schick­sal der Ange­hö­ri­gen — Revi­sio­nen des Geschichts­bil­des, in: Digi­ta­les Archiv Mar­burg
  12. ZMSBw-Media­thek – Aktu­el­le Kar­te: Lage­plan der „Wolfs­schan­ze“
  13. Wiki­pe­dia-Ein­trag zu „Unter­neh­men Wal­kü­re“
  14. Wiki­pe­dia-Ein­trag zu „Wolf­ram Röh­rig“ 
  15. Schmid, Hans: Graf Stauf­fen­berg in Film und Fern­se­hen – Was geschah wirk­lich am 20. Juli 1944? — Teil 2

Fuß­no­ten:

[1] „Unter­neh­men Wal­kü­re“ war ursprüng­lich der Deck­na­me für einen Plan zur Mobil­ma­chung der Ersatz- und Aus­bil­dungs­trup­pen sowie der jeder­zeit etwa 300.000 in Deutsch­land auf Hei­mat­ur­laub befind­li­chen Front­sol­da­ten, um befürch­te­te Auf­stän­de der Zivil­be­völ­ke­rung sowie von Kriegs­ge­fan­ge­nen, Zwangs­ar­bei­tern und KZ-Häft­lin­gen zu unter­bin­den oder um sie rasch an der Front bzw. gegen feind­li­che Luft- oder Küs­ten­lan­dun­gen ein­set­zen zu kön­nen. Oberst i.G. Hen­ning von Tre­sc­kow und Oberst i.G. Claus Schenk Graf von Stauf­fen­berg pass­ten die­sen Plan ab 1943 unauf­fäl­lig an die Bedürf­nis­se nach dem geplan­ten Atten­tat auf Hit­ler an, sodaß u.a. auch zen­tra­le Per­so­nen der SS, des Sicher­heits­diens­tes (SD), der Gehei­men Staats­po­li­zei (Gesta­po) und der NSDAP ver­haf­tet sowie deren Kräf­te durch die Wehr­macht ent­waff­net wor­den wären.

[2] GenLt Thie­le hat­te zudem als Ober­leut­nant 1925 die Geschich­te der Nach­rich­ten-Trup­pe (1899 — 1924) her­aus­ge­ge­ben und war auch daher in der Nach­rich­ten­trup­pe bekannt sowie geach­tet.

 [3] Ent­ge­gen der Unter­stel­lung in den ers­ten Gesta­po-Ermitt­lungs­er­geb­nis­sen, Gen­Nach­rTr Fell­gie­bel habe “nichts getan, um das Gelin­gen des Putsch­ver­su­ches nach­rich­ten­tech­nisch zu unter­stüt­zen”, weil ihm schlicht der Mut gefehlt habe, hat­te er es u.a. über­nom­men, zumin­dest zeit­wei­se die Nut­zung der FHQ-Nach­rich­ten­an­la­gen zu ver­hin­dern, nicht aber sie durch Spren­gung zu zer­stö­ren. Abge­se­hen davon, daß man sie für die Nach­rich­ten­ver­bin­dun­gen zu den Ober­kom­man­dos der Hee­res­grup­pen und Armeen brauch­te, wäre ihre Zer­stö­rung auch weit über die Mög­lich­kei­ten eines Ein­zel­nen hin­aus­ge­gan­gen, sie hät­te vie­le Hän­de sowie vie­le Spreng­stoff­pa­ke­te erfor­dert und hät­te doch nichts genützt, wenn nicht bei­de Nach­rich­ten­zen­tra­len des FHQ sowie die vie­len Kabel­schäch­te und sons­ti­gen Zugän­ge zu den Lei­tun­gen, wo man rasch auch mobi­le Tele­fon­zen­tra­len anschlie­ßen konn­te, zer­stört wor­den wären.
Die­ses angeb­li­che „Ver­sa­gen“ von Gen­Nach­rTr Fell­gie­bel wur­de auch in einem US-Geheim­dienst­be­richt vom 1. Febru­ar 1945 auf­ge­lis­tet, wonach er es ver­säumt habe, „die Funk­ver­bin­dun­gen von Hit­lers Haupt­quar­tier in Ost­preu­ßen zu zer­stö­ren, sodaß die Nach­richt von der Bom­ben­ex­plo­si­on und Hit­lers Über­le­ben hin­aus­ge­lan­gen konn­te, bevor die Ver­schwö­rer die Macht über­neh­men konn­ten.” Dar­auf gestützt, kri­ti­sier­te Allen Welsh Dul­les, wäh­rend des Krie­ges Chef des US-Geheim­diens­tes in der Schweiz, in sei­nem Buch “Ver­schwö­rung in Deutsch­land” das “Ver­sa­gen” von Gen­Nach­rTr Fell­gie­bel. Dul­les wur­de assis­tiert von Hans Bernd Gise­vi­us, selbst Teil­neh­mer am Staats­streich, der in sei­nem Buch „Bis zum bit­te­ren Ende“ über Gen­Nach­rTr Fell­gie­bel schrieb: »Die Fern­schreib­zen­tra­le wur­de nicht gesprengt, son­dern nur für Stun­den blo­ckiert.« Die­ser Teil des Auf­trags, für den Gen­Nach­rTr­Fell­gie­bel gebürgt habe, »blieb unaus­ge­führt«. John Whee­ler-Ben­nett schließ­lich, der his­to­ri­sche Bera­ter des bri­ti­schen For­eign Office, behaup­te­te 1953 in „Neme­sis der Macht“, Fell­gie­bel habe nicht ein­mal sei­ne Mit­ver­schwo­re­nen in Ber­lin ange­ru­fen. Ver­su­che, die­ses Bild zu kor­ri­gie­ren, wie der von Oberst a.D. Wolf­gang Mül­ler am 16. August 1947 mit einem Arti­kel in der Zei­tung “Das Deutsch­land der andern” ver­puff­ten. Ein Mil­lio­nen­pu­bli­kum konn­te viel­mehr 2009 in dem Kino­film “Ope­ra­ti­on Wal­kü­re” Gen­Nach­rTr Fell­gie­bel als stän­dig betrun­ke­nen Zöge­rer sehen, der von Oberst i.G. Graf von Stauf­fen­berg (ali­as Tom Crui­se) auf der Toi­let­te zum Mit­ma­chen erpresst wer­den muss­te.
Das war der spä­te Tri­umph einer geziel­ten Dis­kre­di­tie­rung, denn Gen­Nach­rTr Fell­gie­bel hat­te kei­nes­wegs ver­sagt: Er gehör­te mit zu den ent­schlos­sens­ten Wider­stands­kämp­fern und war ein Spe­zia­list, der sein Metier beherrsch­te.
Wie sind aber die Vor­wür­fe zu erklä­ren, Gen­Nach­rTr Fell­gie­bel habe ver­sagt? Sie kom­men, wor­auf der His­to­ri­ker Peter Hoff­mann rich­ti­ger­wei­se hin­weist, nicht aus ers­ter Hand, son­dern nur vom Hören­sa­gen: Kei­ne der Per­so­nen, die an vor­be­rei­ten­den Tref­fen bis in den Juli 1944 hin­ein teil­ge­nom­men haben, hat je dar­über berich­tet, Gen­Nach­rTr Fell­gie­bel habe ihnen die Zer­stö­rung der Nach­rich­ten­ver­mitt­lung im Sperr­kreis I der »Wolfs­schan­ze« zuge­sagt. Gen­Nach­rTr Fell­gie­bel hat­te viel­mehr im Gegen­teil von Anfang an dar­auf hin­ge­wie­sen, daß es kaum mög­lich sei, das FHQ nach­rich­ten­tech­nisch kom­plett zu iso­lie­ren und inso­fern eine Nach­rich­ten­über­mitt­lung allen­falls zeit­lich befris­tet behin­dert wer­den kön­ne.

[4] gemäß Quel­le 6 — 8 und 11 — 12, gemäß Quel­le 10 – Abschnitt 2.13 (Mel­dung von GenLt Thie­le über die Durch­ga­be der Fern­schrei­ben am 20./21.07.1944) aller­dings nur Leut­nant

[5] Vgl. Hei­ne­mann, Win­fried: Gene­ral Erich Fell­gie­bel und die Rol­le der Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tel am 20. Juli 1944, in: ders. (Hrsg.), Füh­rung und Füh­rungs­mit­tel, Pots­dam 2011, S. 57 — 66