Nach Vorstellung der Bildtafeln zur Nachrichtentruppe in der Kasernierten Volkspolizei (1948 — 1956) und in der Nationalen Volksarmee (1956 — 1990) der DDR wird die Serie zu o.a. Bildtafelausstellung mit der Vorgeschichte zur Aufstellung der Fernmeldetruppe des Heeres in der Bundeswehr im Zeitraum 1950 — 1956 fortgesetzt.
Oberst a.D. Peter Uffelmann
Auch in den westlichen Besatzungszonen von Deutschland fanden schon relativ frühzeitig nach 1945 wieder einzelne ehemalige Stabsoffiziere der früheren Wehrmachts-Nachrichtentruppe eine entsprechende fachliche Verwendung: So war Oberst a.D. Johannes Bayer der erste frühere Nachrichtenoffizier, der ab Ende Mai 1950 als Fachmann auf dem Gebiet des „Nachrichtenwesens“ bei dem „Ständigen Berater in Militär- und Sicherheitsfragen“ im Bundeskanzleramt, General der Panzertruppe (GenPzTr) a.D. Gerhard Graf von Schwerin in der „Dienststelle Schwerin“ – Tarnbezeichnung: „Zentrale für Heimatdienst“ (ZfH) – mitarbeitete, welcher durch den damaligen Bundeskanzler Dr. Konrad Adenauer im Geheimen mit der Planung einer „mobilen Bundesgendarmerie“ 1, mit der Bearbeitung von Fragen der Sicherheit der Behörden des Bundes und der Länder sowie mit der Vorbereitung der Expertenkonferenz ehemaliger hochrangiger Wehrmachtsangehöriger in Himmerod 2 (5. — 9. Oktober 1950) beauftragt war.
Nach Entlassung von GenPzTr a.D. Graf von Schwerin und Auflösung der „Dienststelle Schwerin“ bereits Ende Oktober 1950 3 wechselte Oberst a.D. Bayer wenig später in das neue „Amt Blank“, die Dienststelle des „Beauftragten des Bundeskanzlers für die mit der Vermehrung der alliierten Truppen zusammenhängenden Fragen“ 4 MdB Theodor Blank, welche die Planungen zur Wiederbewaffnung der Bundesrepublik Deutschland weiterführte.
Dort waren schon ein weiterer ehemaliger Offizier und ein ehemaliger Beamter der früheren Nachrichtentruppe tätig, zu denen später noch weitere zwölf ehemalige Offiziere auch aus Luftwaffe und Marine stießen – u.a. der spätere Brigadegeneral (BrigGen) August Frede, ab 1956 erster Kommandeur der damaligen Fernmeldeschule, Oberst a.D. Rolf Göhring, ab 1961 erster Vorsitzender des Fernmelderings e.V., der spätere Generalleutnant Gustav-Adolf Kuntzen, 1960 — 1962 erster General der Führungstruppen und zugleich Inspizient der Fernmeldetruppe im damaligen Heeresamt sowie 1964 — 1967 erster Stellvertretender Generalinspekteur der Bundeswehr, und der spätere BrigGen Theodor Poretschkin, 1966 — 1970 Kommandeur der damaligen Führungsfernmeldebrigade 700.
Erste Aufgabe dieser ehemaligen Offiziere bzw. Beamten der früheren Nachrichtentruppe 5 im „Amt Blank“ war es vorerst, sich mit der Problematik ihrer neuen Verwendungen vertraut zu machen sowie Unterlagen und Vorschriften der früheren Nachrichtentruppe sowie entsprechende Dokumente der zukünftigen Bündnispartner zu beschaffen und auszuwerten. Darüber hinaus werden sie vermutlich auch erste Überlegungen zum Telekommunikationsbedarf des in der „Himmeroder Denkschrift“ konzipierten „deutschen Kontingents im Rahmen einer übernationalen Streitmacht zur Verteidigung Westeuropas“ 6 angestellt haben.
Die Auswertung der Unterlagen und Vorschriften der zukünftigen Bündnispartner führte im Übrigen zu einer Angleichung der deutschen Terminologie im Bereich des früheren „Nachrichtenwesens“: So orientierte man sich offensichtlich an dem französischen Begriff „Telécommunications“, aus dem der neue deutsche Begriff „Fernmeldewesen“ 7 abgeleitet wurde – vermutlich auch, um Verwechselungen mit dem militärischen „Nachrichtendienst“, dem zukünftigen „Militärischen Nachrichtenwesen“ zu vermeiden. 8 insofern wurden im Weiteren ebenfalls die Begriffe “Fernmeldetruppe” sowie “Fernmeldedienst” eingeführt und verwendet.
An dieser neuen Terminologie orientierte sich offensichtlich auch der ab März 1951 aufgestellte, paramilitärisch organisierte und bewaffnete damalige Bundesgrenzschutz (BGS), der in seinen vier Grenzschutzkommandos Süd, Mitte, Nord und Küste über je eine Fernmelde-Hundertschaft 9, je einen Fernmeldezug in seinen 21 Grenzschutzabteilungen und eine Führungsfernmeldeeinheit in Bonn verfügte, welche ebenfalls ehemaligen Angehörigen der früheren Nachrichtentruppe neue fachliche Verwendungsmöglichkeiten boten.
Nachdem im Zuge der Diskussion und Verhandlungen über eine westdeutsche Wiederbewaffnung zunächst Ende Mai 1952 der Vertrag über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) 10 unterzeichnet worden war, wurde Anfang Juli 1952 ein „Deutscher militärischer Beraterstab für Fragen der EVG“ 11 nach Paris entsandt, dem als Gutachter für Fragen des Fernmeldewesens vier der o.a. ehemaligen Offiziere der früheren Nachrichtentruppe angehörten – u.a. Oberst a.D. Bayer und der damalige Major a.D. Poretschkin, welcher allerdings schon ab Juli 1953 als Leiter des neuen Fernmeldereferats in die Personalabteilung des „Amts Blank“ versetzt wurde.
Die Angehörigen dieses Beraterstabs wurden in die bereits bestehenden Verhandlungsgremien der in der EVG vertretenen Nationen eingegliedert, und so fanden sich die vier deutschen ehemaligen Nachrichtenoffiziere in der „Section Transmission/Telécommunications“ wieder, deren Aufgabe es war, Probleme der Fernmeldetechnik, der Ausstattung mit Fernmeldegeräten, der Organisation und Ausbildung sowie Personal- und Laufbahnfragen im Rahmen eines Fernmeldebataillons einer multinationalen Division der Landstreitkräfte zu diskutieren.
Diese Aufgabe war allerdings eine andere, als die deutschen ehemaligen Nachrichtenoffiziere erwartet hatten, deren Bild von Fernmeldewesen, ‑dienst und ‑truppe durch die frühere Nachrichtentruppe der Wehrmacht geprägt war, aber ihre Verhandlungspartner waren nun europäische Fernmeldeoffiziere, die ihre Fernmeldeverbände anders geführt und eingesetzt hatten, als dies in der Wehrmacht erfolgte. So waren ihre Stäbe damals nach den Führungsgrundgebieten 1 bis 4 sowie in Spezialstäbe – u.a. auch für Fernmeldewesen – gegliedert und kannten zum Teil keine Fernmeldeführer mit selbständiger Befehlsbefugnis, d.h.: Führung und Einsatz der Fernmeldeverbände wurde durch den G3 bzw. G2 (Fernmelde- und Elektronische Aufklärung) sowie ihre Versorgung durch den G4 geplant und geregelt, während der „Spezialstab Fernmeldewesen“ nur für die rein fachspezifischen Aufgaben zuständig und verantwortlich war.
Insofern war es gar nicht möglich, daß die deutschen Vertreter in der „Section Transmission/Telécommunications“ Fragen der Führung und des Einsatzes der Fernmeldeverbände auf die Tagesordnung der Besprechungen bringen konnten, während in anderen EVG-Verhandlungsgremien militärische Grundsatzforderungen für das EVG-Fernmeldewesen auch nicht gestellt werden konnten, weil auch diese hierfür nicht zuständig waren.
Währenddessen hatte sich die in Bonn verbliebene Gruppe der ehemaligen Nachrichtenoffiziere im „Amt Blank“ konsolidiert und den dortigen Gegebenheiten angepaßt: Sie waren nun in der Unterabteilung „II/Planung“ in Planungsgruppen für das Fernmeldewesen der Gesamt- sowie Teilstreitkräfte zusammengefasst und umfassten im Einzelnen in der zweiten Jahreshälfte 1953 fünf ehemalige Heeresangehörige in der Planungsgruppe für das Fernmeldewesen der Gesamtstreitkräfte, drei ehemalige Heeresangehörige in der Planungsgruppe für das Fernmeldewesen des Heeres, zwei ehemalige Luftwaffenangehörige in der Planungsgruppe für das Fernmeldewesen der Luftwaffe sowie einen ehemaligen Marineangehörigen in der Planungsgruppe für das Fernmeldewesen der Marine.
Nach der Ablehnung der Ratifizierung des EVG-Vertrages durch die französische Nationalversammlung Ende August 1954, begann nach Unterzeichnung der „Pariser Verträge“ schon Ende Oktober 1954 und der Aufnahme der Bundesrepublik Deutschland in die NATO Anfang Mai 1955 ein neuer Abschnitt auch in der Vorgeschichte der Fernmeldetruppe des Heeres in der Bundeswehr 12: Nun ging es nicht mehr darum, deutsche Fernmeldesoldaten und ‑truppenteile in eine multinationale Division der Landstreitkräfte zu integrieren, sondern es waren rein deutsche Fernmeldetruppenteile in deutsche Divisionen einzugliedern, die vermeintlich auch nur nach bisherigen deutschen Ansichten und Grundsätzen ausgeplant werden konnten.
Zunächst aber traten Ende Juli 1955 – als sichtbares Zeichen, daß die Bundesrepublik Deutschland nun gleichberechtigtes NATO-Mitglied war – zwei der ehemaligen Nachrichtenoffiziere aus dem „Amt Blank“ – bis November zunächst noch als Zivilangestellte – ihren Dienst bei NATO-Dienststellen an: Oberst a.D. Bayer in der „Signal Division“ beim Supreme Headquarters Allied Powers Europe (SHAPE) und Oberst a.D. Göhring in der „Signal Division“ beim Headquarters Allied Forces Central Europe (AFCENT).
Im „Amt Blank“ dagegen begannen sowohl in der Planungsgruppe für das Fernmeldewesen der Gesamtstreitkräfte, die Anfang November 1955 in Unterabteilung „IV/F“ (= Streitkräfte/Fernmeldewesen) umbenannt wurde, als auch bei den Bearbeitern für Fernmeldewesen in den Planungsgruppen für die Teilstreitkräfte hektische Aktivitäten, denn die Aufstellung deutscher Divisionen sollte bereits im Jahr 1956 beginnen: Man hatte also nur ca. ein halbes, bestenfalls ein Jahr Zeit, die personellen, materiellen und organisatorischen Grundlagen für eine neue deutsche Fernmeldetruppe zu schaffen – „Vorgänge“ dafür gab es jedoch nicht.
Dabei war zuerst der Auftrag dieser neuen deutschen Fernmeldetruppe zu klären, d.h. welche operativen bzw. taktischen Forderungen an die Fernmeldetruppe zu stellen waren, um im Sinne der Führung tätig werden zu können: Einen solchen Auftrag hat es jedoch damals nicht gegeben 13 – die Grundlagen für eine neue deutsche Fernmeldetruppe mußten also aus eigenem Entschluß gemäß den Leitlinien für einen Verteidigungskrieg im eigenen Land bei beweglicher Gefechtsführung sowie gemäß dem Bedarf sowohl an Fernmeldetruppenteilen für die Großverbände, als auch Truppenfernmeldeteileinheiten für die Verbände anderer Truppengattungen geschaffen werden.
Die Hoffnung aber, diese hierbei nur nach bisherigen deutschen Ansichten und Grundsätzen ausplanen zu können, fand rasch ihre Grenzen in drei gravierenden Rahmenbedingungen, die unabänderlich waren und einen harten Kontrast zu Vielem bildeten, was man aus der früheren Wehrmacht und Nachrichtentruppe kannte:
- Die Stäbe wurden gemäß US-Vorbild nach den Führungsgrundgebieten 1 bis 4 sowie in Spezialstäbe – u.a. auch für Fernmeldewesen – gegliedert.
- Die USA sagten zu, daß US-Fernmeldegerät für die Ausstattung der deutschen Fernmeldetruppenteile und Truppenfernmeldeteileinheiten vorerst kostenlos 14 und unverzüglichzur Verfügung gestellt würde.
- Keine Ausstattung mehr mit speziellen Fernmelde-Kraftfahrzeugen.
Damit jedoch waren wesentliche Grundlagen für Organisation und materielle Ausstattung sowie auch für Führung und Einsatz der Fernmeldetruppe sowie des Truppenfernmeldeverbindungsdienstes bereits vorab festgelegt: Art und Mobilität der Fernmeldemittel sowie die Anzahl der Fernmeldeverbindungen – und damit der Fernmeldeeinsatz – waren durch die vorgesehene Ausstattung mit US-Fernmeldegerät vorgegeben – auch mit dem feststehenden Frequenzbereich der US-Funkgeräte mußte man sich abfinden, selbst wenn dadurch ihr Einsatz im mitteleuropäischen Bereich Schwierigkeiten verursachte.
Auch die Gliederung und der personelle Umfang der Fernmeldetruppenteile waren durch das US-Fernmeldegerät schon weitgehend vorgezeichnet.
Die Versorgung mit Fernmeldemitteln, d.h. ihre Instandsetzung und ihr Nachschub erfolgten grundsätzlich in querschnittlicher Zuständigkeit und Verantwortung des Führungsgrundgebiets 4 – wenn man darauf Einfluß nehmen wollte, mußten also eigene Vorstellungen zur Versorgung mit Fernmeldemitteln entwickelt werden.
Für die Nutzung querschnittlicher Kraftfahrzeuge in der Fernmeldetruppe waren Rüstsätze zum Einbau des (US-) Fernmeldegeräts erforderlich – diese aber fehlten zunächst.
Übrig blieb im Wesentlichen also nur Festlegung des personellen Umfangs sowie der Grundlagen der Ausbildung für Fernmeldetruppe und Truppenfernmeldeverbindungsdienst, Bestimmung der Standorte für die Fernmeldetruppenteile sowie Terminierung ihres Aufstellungsrhythmus und Mitwirkung an der organisatorischen Vorbereitung sowie Durchführung ihrer Aufstellung und Ausrüstung mit Fernmeldegerät.
Selbst hierfür aber waren die bisher nur drei o.a. ehemaligen Heeresnachrichtenoffiziere in der Planungsgruppe für das Fernmeldewesen des Heeres nicht ausreichend, zumal ihre Anzahl erst ab Dezember 1955 durch Einstellung weiterer ehemaliger Heeresnachrichtenoffiziere erhöht werden konnte. Darüber hinaus wurde ihre Arbeit noch dadurch erschwert, daß sie Anfang 1956 in das in Köln neu aufgestellte Truppenamt des Heeres – das spätere Heeresamt und heutige Amt für Heeresentwicklung – eingegliedert und dort zu einer Abteilung „Fernmeldetruppe“ erweitert wurden. Damit war die Fernmeldetruppe des Heeres – im Gegensatz zu Luftwaffe und Marine, die ihre Planungsgruppen für das Fernmeldewesen in ihre Führungsstäbe im BMVg integrierten – zwei Jahre bis Ende 1957 nicht mehr ministeriell vertreten – erst dann gelang es, auch im Führungsstab des Heeres ein Referat „Fernmeldewesen“ zu etablieren. Bis dahin wurden Fragen des Fernmeldewesens im Heer durch das Grundsatzreferat „Führung“ mitbearbeitet, was aber kaum eine fachgerechte ministerielle Zusammenarbeit im Bereich „Fernmeldewesen/Elektronische Kampfführung“ ermöglichte.
Nachdem im Sommer 1955 der vorläufige personelle Umfang des Heeres und damit auch der Heeresdivisionen festgelegt worden war, zeichnete sich die ungefähre personelle Stärke eines Divisionsfernmeldebataillons soweit ab, daß mit der Erarbeitung der Stärke- und Ausrüstungsnachweisung (STAN) – der heutigen SOLL-Organisation (SOLL-Org) – begonnen werden konnte, wobei man sich an der STAN eines US-Divisionsfernmeldebataillons orientierte, zumal die Ausrüstung mit US-Fernmeldegerät vorgegeben war. Insofern wurde die US-Gliederung in eine Stabs- und Versorgungskompanie sowie eine Fernsprech- und eine Funkkompanie übernommen, was zudem auch im Wesentlichen deutschen Kriegserfahrungen entsprach.
Bei der personellen Ausplanung der einzelnen Fernmelde-Teileinheiten und ‑Trupps hielt man sich weitgehend an das US-Vorbild, wobei Fernmelde-Trupps, die nur in einem Expeditionsheer erforderlich waren, weggelassen wurden.
Die Ausplanung der materiellen Ausstattung der Fernmeldebataillone, aber auch der Teileinheiten des Truppenfernmeldeverbindungsdienstes erforderte Einiges an Vorarbeiten: So mußten u.a. den US-Versorgungsnummern von US-Fernmeldegerät deutsche Planungsbegriffe sowie ‑nummern zugeordnet werden und es mußte überlegt werden, welches Fm-Gerät der früheren Nachrichtentruppe durch US-Fernmeldegerät ersetzt werden konnte und sollte, was dann beides Eingang in die Material-STAN fand.
Auszug aus der Gegenüberstellung von Wehrmachts- und US-Fernmeldegerät,
Graphik: Quelle 1, Anlage 1 – S. 246
Die Kraftfahrzeuge konnten dabei vorerst nur nach genormten Gewichtsklassen (0,25 to — 0,75 to — 1,5 to — 3 to — 5 to) ausgeplant werden, weil es eine Ausstattung mit speziellen Fernmelde-Kraftfahrzeugen nicht mehr geben sollte. Dazu wurde zunächst einfach das Gewicht der Fernmeldegeräte, der Fahrzeugbesatzung sowie ihrer persönlichen und sonstiger Ausrüstung aufaddiert.
Bis Anfang November 1955 wurden so auch die STAN für das Fernmeldelehrbataillon, für die Korpsfernmeldebataillone sowie eine vorläufige STAN für die Fernmeldeschule des Heeres erarbeitet und mit der BMVg-Haushaltsabteilung sowie dem Bundesfinanzministerium verhandelt. Dabei wurde auch durchgesetzt, daß es wieder Divisions- und Korpsfernmeldeführer als Berater ihrer Kommandeure und zugleich als Bataillonskommandeure geben sollte – ein nicht selbstverständlicher Erfolg, da dies nicht dem US-Vorbild entsprach.
Darüber hinaus berieten die bis dahin nur drei o.a. ehemaligen Heeresnachrichtenoffiziere in der Planungsgruppe für das Fernmeldewesen des Heeres auch die anderen Truppengattungen bei der Ausplanung der Teileinheiten des Truppenfernmeldeverbindungsdienstes in deren Bataillonen.
Dadurch aber war es bis Ende 1955 nicht mehr möglich, auch noch Grundlagen der Ausbildung für Fernmeldetruppe und Truppenfernmeldeverbindungsdienst – insbesondere Ausbildungsvorschriften – zu erarbeiten, während zumindest andere Ausbildungsvorschriften mitgeprüft werden konnten.
Die Vorarbeiten zur personellen Besetzung der Dienstposten in den zukünftigen Fernmeldeverbänden und ‑dienststellen hatten bereits ab Juli 1953 mit der Versetzung des damaligen Major a.D. Theodor Poretschkin als Leiter des neuen Fernmeldereferats in die Personalabteilung des „Amts Blank“ begonnen. Da es aber zunächst weder Richtlinien, noch Anweisungen für die Personalbearbeitung sowie auch keine Personal- und Beurteilungsunterlagen von ehemaligen Nachrichtenoffizieren gab, mußte sich die Tätigkeit bis Anfang 1955 im Wesentlichen darauf beschränken, bei personellen Grundsatzentscheidungen mitzuwirken, erste Gedanken über den Ablauf des Einstellungsverfahrens zu entwickeln sowie Grundsätze für die zukünftige Personalauswahl und Stellenbesetzung zu erarbeiten. Die Personalauswahl für die ersten Einstellungen in 1955 erfolgte in erster Linie unter qualifizierten, persönlichen Bekannten – ein durchaus anfechtbares Verfahren, aber das vorerst einzig mögliche.
Im Laufe von 1955 gingen dann zunehmend auch Bewerbungen ehemaliger Angehöriger der Nachrichtentruppe, aber auch ungedienter Freiwilliger ein, so daß eine geordnete Personalauswahl und spätestens ab Ende 1955 eine solide Personalplanung möglich wurde. Dazu trug auch bei, daß das bisherige „Ein-Mann-Referat“ ab Anfang 1956 durch einen (Hilfs-)Referenten 15 und einen Sachbearbeiter verstärkt wurde. So konnte auf Grundlage der inzwischen verhandelten STAN eine gezielte Personalauswahl beginnen, die sich aber nicht auf die bereits vorliegenden Bewerbungen beschränkte, sondern auch versuchte, qualifizierte ehemalige Angehörige der Nachrichtentruppe zu Bewerbungen zu veranlassen.
Bei der materiellen Ausstattung der Fernmeldebataillone, aber auch der Teileinheiten des Truppenfernmeldeverbindungsdienstes entschloß man sich aufgrund des US-Angebots, US-Fernmeldegerät für die Ausstattung der deutschen Fernmeldetruppenteile und Truppenfernmeldeteileinheiten vorerst kostenlos sowie unverzüglich zur Verfügung zu stellen, und der nur eingeschränkten Möglichkeiten der westdeutschen Fernmelde-Industrie, militärisches Fernmeldegerät in ausreichendem Umfang zu produzieren sowie zeitgerecht zu liefern, vorerst zu einer 100%-igen Ausrüstung mit US-Funkgeräten 16, griff aber bei der Planung für Fernsprech- und Fernschreibgerät weitgehend auf westdeutsches Fernmeldegerät zurück. 17 Aufgrund von Schwierigkeiten Letzteres auch kurzfristig zu liefern 18, halfen jedoch auch die Deutsche Bundespost mit nicht mehr benötigten Wehrmachts-Fernsprechvermittlungen und ‑Trägerfrequenzgeräten sowie mit Blankdraht und Blankdrahtbaugerät sowie der Bundesgrenzschutz teilweise mit Funkgeräten aus.
Darüber hinaus konnte die frühzeitige Entscheidung, für den Kampf im eigenen Land auch feste postalische Fernmeldeverbindungen zu nutzen und dafür erforderliche Haushaltsmittel bereitzustellen, noch rechtzeitig bei der materiellen Ausstattung der Fernmeldebataillone, aber auch der Teileinheiten des Truppenfernmeldeverbindungsdienstes berücksichtigt werden.
Ab Anfang Dezember 1955 traten dann die ersten neu eingestellten, kriegsgedienten Offiziere und Unteroffiziere der Fernmeldetruppe ihren Dienst bei der 2. Lehrkompanie des Heeres in Andernach an, um die Anfang Januar 1956 eintreffenden ungedienten Offizier- und Unteroffizierbewerber der Fernmeldetruppe auszubilden. Nach der allgemeinen Grundausbildung begann ab Anfang April 1956 die Fernmeldeausbildung mit den US-Funkgeräten PRC‑6 19 und PRC-10 20 sowie mit vom BGS ausgeliehenem Fernsprechgerät.
US-Funkgeräte PRC‑6 (links) und PRC-10 (rechts), Quelle: Wikipedia
Dabei wurde die Ausbildung an den US-Funkgeräten durch Personal einer „Military Assistance Advisory Group“ (MAAG) 21 der US-Armee unterstützt. Ab Anfang Mai 1956 bildeten dann diese sogenannten „Andernacher“ den Kern des in Sonthofen aufzustellenden Fernmeldelehrbataillons, wo ab Anfang Juli auch die Fernmeldeschule des Heeres aufgestellt wurde.
Für den Bereich der Fernmelde- und Elektronischen Aufklärung gingen bis Ende 1955 die Planungen über theoretische Überlegungen kaum hinaus.
Zwar hatten ehemaligen Angehörige der früheren Nachrichtenaufklärung der Wehrmacht bereis ab 1948 wieder Verwendung im Rahmen der Funkaufklärung der sogenannten “Organisation Gehlen” 22, dem Vorläufer des späteren Bundesnachrichtendienstes (BND; ab 1956), gefunden, aber aus dem “Amt Blank” ist zu Planungen für eine zukünftige militärischen Funkaufklärung nur wenig bekannt. So findet sich lediglich in der Handakte des späteren Generalinspekteur der Bundeswehr, Generalleutnant a.D. Adolf Heusinger — oder bis 1950 selbst Angehöriger der “Organisation Gehlen” gewesen war — eine Denkschrift aus dem Jahr 1950 mit dem Titel “Gedanken über eine zukünftige deutsche Funkaufklärung” von Oberst a.D. Leo Hepp — 1945 letzter Chef des Stabes beim Chef des Heeresnachrichtenwesens und der Wehrmachtsnachrichtenverbindungen (Chef HNW/WNV) sowie inzwischen bei der “Organisation Gehlen” Leiter der Abteilung “Nachrichtenwesen” (Agenten- und Führungsfunk sowie Funkaufklärung), die u.a. auch einen Organisationsvorschlag für eine zukünftige deutsche Funkaufklärung enthielt.
Organisationsvorschlag für eine zukünftige deutsche Funkaufklärung von Oberst a.D. Leo Hepp, 1950;
Graphik: Quelle 7, Seite 6
Legende:
H = Stationäre „Horchstellen“ des „Geheimen Meldedienstes“ (= “Organisation Gehlen” );
Z = „Funkaufklärungszentralstelle“ (ab 1956 Dienststelle für Fernmeldeaufklärung und Schlüsselwesen, später Fernmeldedienststelle der Bundeswehr (FmDstStBw) bzw. Amt für Fernmeldewesen der Bundeswehr (AFmWBw);
„Fernmeldechef“ = ab 1955 Unterabteilungsleiter BMVg IV F – Fernmeldewesen;
„Abteilung Fremde Heere“ = ab 1957 Unterabteilung BMVg Fü B II, später BMVg Fü S II;
Leere Kästchen = mobile Funkaufklärungstruppenteile der militärischen Kommandobehörden zur Fern‑, Nah- und Gefechtsaufklärung
Dieser Organisationsvorschlag für eine zukünftige deutsche Funkaufklärung fand jedoch nur teilweise Eingang in die Planungen im „Amt Blank“: Im Rahmen der EVG-Verhandlungen sah ein deutscher Vorschlag aus dem Jahr 1953 für die Landstreitkräfte ein Funkaufklärungsbataillon mit je einer Funkfernaufklärungs- und Funküberwachungskompanie sowie pro Korps je eine Funknahaufklärungskompanie vor, der jedoch aufgrund insbesondere der französischen Weigerung, diesen Vorschlag überhaupt zu behandeln, in der deutschen Planung zunächst nicht weiter verfolgt wurde.
1955 wurde allerdings dieser Vorschlag aus den EVG-Verhandlungen im Wesentlichen bei der Ausplanung für Landstreitkräfte im Rahmen der NATO wieder aufgegriffen: Zunächst war zwar nur je eine Funknahaufklärungskompanie in den Korpsfernmeldebataillonen vorgesehen, die aber dann noch um ein zusätzliches Funkfernaufklärungsbataillon auf „Armee-Ebene“ ergänzt wurden – letzteres allerdings nun ohne Auftrag zur Funküberwachung von gegnerischen Agentenfunkstellen in Deutschland, da diese Aufgabe inzwischen seit 1953 durch den BGS wahrgenommen wurde.
Quellen und zusätzliche Informationen zum Thema:
- Hoffmann, Emil: Die Fernmeldetruppe des Heeres in der Bundeswehr – 1. Auflage, Verlag E.S. Mittler & Sohn, Herford 1978 – ISBN 3 8132 0012 4, S. 23 — 35
- Goebel, Dieter: Telegraphen-/Nachrichten-/Fernmelde-Truppen – Organisationsdarstellung 1830 — 1980, FmS/FSHEloT 1980 – S. 44 f.
- Grabau, Rudolf: Die Fernmeldetruppe EloKa des Heeres 1956 bis 1990 – Organisations- und Ausbildungsübersichten, Hrsg.: Fernmeldering e.V. – 1. Auflage 1995
- Hoffmann, Emil: Die Zeit zwischen 1945 und 1955, in: Telegraphen-/Nachrichten-/Fernmeldetruppen und Führungsdienste – Führungsunterstützung seit 1899, Hrsg.: Fernmeldering e.V. 1999 – S. 119 ff.
- N.N.: Die Fernmeldetruppe des Heeres der Bundeswehr 1956 — 1999, in: Telegraphen-/Nachrichten-/Fernmeldetruppen und Führungsdienste – Führungsunterstützung seit 1899, Hrsg.: Fernmeldering e.V. 1999 – S. 123 f.
- N.N.: Geschichtliche Zeittafel über die Entwicklung der Telegraphen‑, Nachrichten‑, Fernmeldetruppe und Führungsdienste 1830 — 1999, in: Telegraphen-/Nachrichten-/Fernmeldetruppen und Führungsdienste – Führungsunterstützung seit 1899, Hrsg.: Fernmeldering e.V. 1999 – S. 238 f.
- Grabau, Rudolf: Bundesnachrichtendienst oder Bundeswehrführung: Wer hatte größeren Einfluß auf den Aufbau der deutschen Fernmeldeaufklärung? – Ideen und Planungen für eine militärische Funkaufklärung in Westdeutschland nach Ende des 2. Weltkrieges, in: Beilage zur F‑Flagge 3–2001
- Weiße, Günther K.: Geheime Funkaufklärung in Deutschland, Motorbuch-Verlag – 1. Auflage 2005
Fußnoten:
1 Diese Planung führte ab März 1951 zur Aufstellung des damaligen, paramilitärisch gegliederten und mit Militärhandwaffen ausgerüsteten Bundesgrenzschutzes (BGS) mit einer anfänglichen Personalstärke von 10.000, der 2005 in Bundespolizei umbenannt wurde.
2 Ergebnis war die geheime, sogenannte „Himmeroder Denkschrift“ über die „Aufstellung eines deutschen Kontingents im Rahmen einer übernationalen Streitmacht zur Verteidigung Westeuropas“, die ein Konzept für Rüstung und Organisation, Ausstattung und Ausrüstung der künftigen deutschen Streitkräfte sowie Konzepte zur „Inneren Führung“ und zum „Staatsbürger in Uniform“ enthielt.
3 nachdem GenPzTr a.D. Graf von Schwerin mit Pressevertretern über seine Tätigkeit gesprochen und dabei u.a. auch gesagt hatte, daß die Bundesrepublik Deutschland ein Wehrpflichtgesetz vorbereite
4 bis 7. Juni 1955 Vorläufer des Bundesministeriums für Verteidigung
5 darunter auch zwei ehemalige Angehörige der Nachrichtenaufklärung, die allerdings überwiegend nur über technisch orientierte Kenntnisse der Funkaufklärung verfügten
6 Sechs Korpsstäbe mit Korpstruppen und 12 Panzerdivisionen, sechs Aufklärungsfliegergruppen, drei Schlachtfliegerregimenter und drei Jagdfliegerregimenter sowie leichte Küsten-Seestreitkräfte einschließlich eigener Marinefliegerkräfte
7 Auch im zivilen Bereich – z.B. der Post – war bereits seit 1948 der Begriff „Fernmeldewesen“ gebräuchlich, u.a. in der Bezeichnung des zuständigen Bundesministeriums für Angelegenheiten des Fernmeldewesens“ (1949) bzw. des Bundesministeriums für das Post- und Fernmeldewesen“ ab 1. April 1950 – darüber hinaus gab es bei der Post weitere „Fernmelde-Begriffe“ wie z.B. „Fernmeldedienst“, „Fernmeldeanlage“, „Fernmeldeordnung“.
8 Eine Rolle haben möglicherweise auch persönliche Erfahrungen der Beteiligten gespielt, daß in der Kriegsgefangenschaft Angehörige der Nachrichtentruppe oft für Angehörige des militärischen „Nachrichtendienstes“ gehalten wurden.
9 Diese Fernmelde-Hundertschaften bestanden aus je einem Funk- sowie Fernsprechzug und wurden ab Juli 1956 im Übrigen mit Masse zur Aufstellung der Bundeswehr-Fernmeldebataillone 1 — 4 herangezogen.
10 Die EVG war ein geplantes politisches Projekt mit dem Ziel, eine gemeinsame, europäische Armee zu schaffen, wobei vorgesehen war, Kontingente aus Frankreich, den BENELUX-Staaten, Italien und der Bundesrepublik Deutschland zu beteiligen. Das Besatzungsstatut für Westdeutschland wäre damit beendet, gleichzeitig aber auch seine unmittelbare Wiederbewaffnung verhindert worden.
11 Dieser Beraterstab war Teil einer größeren deutschen Delegation, welche im „Interimsausschuß“ unter Federführung des Auswärtigen Amtes auf politischer Ebene die Verhandlungen zur Verwirklichung der EVG mit den übrigen EVG-Mitgliedern führte.
12 die allerdings bis dahin noch keinen Namen trug und in zeitgenössischen Dokumenten als „bundesdeutsche Wehrmacht“ bezeichnet wurde
13 eine dem zukünftigen, ausschließlichen Verteidigungsauftrag und den Erfordernissen der zwischenzeitlichen taktischen Entwicklungen angepaßte Vorschrift „Truppenführung“ (TF) – u.a. auch mit Festlegung von Auftrag und Aufgaben der einzelnen Truppengattungen – gab es noch nicht
14 Später wurden dann dafür pauschal etwa 200 Millionen DM bezahlt.
15 Die Referatsleiter wurden zunächst als „Referenten“, die Referenten als „Hilfsreferenten“ bezeichnet.
16 Da bei einem Bedarf von etwa 50.000 Funkgeräten für die 12 Heeresdivisionen die Anzahl der durch die USA zugesagten US-Funkgeräte für die Ausstattung der deutschen Fernmeldetruppenteile und Truppenfernmeldeteileinheiten nicht ausreichte, entschloß man sich kurzfristig zum Nachbau von US-Funkgeräten und vergab entsprechende Aufträge an die westdeutsche und französische Fernmelde-Industrie.
17 Eine interessante Parallele zur Ausrüstung der Nachrichtentruppe von KVP bzw. NVA mit sowjetischen Funk- bzw. Richtfunkgeräten sowie Fernsprech- und Fernschreibgerät aus DDR-Produktion.
18 Erstbedarf an Feldkabel: 60.000 km
19 US-FM-Handsprechfunkgerät (47 — 55,4 MHz; ca. 250 mW Sendeleistung) im Korea-Krieg (PRC = Portable Radio Communications)
20 tragbares US-Standard-FM-Sprechfunkgerät (38 — 54,9 MHz; ca. 1 W Sendeleistung) im Korea-Krieg
21 Die MAAG Germany war von 1955 bis 1962 am Aufbau der Bundeswehr beteiligt.
22 Die erste „Horchstelle“ der “Organisation Gehlen” wurde ab 1948 auf Schloß Krahnsberg bei Usingen im Taunus eingerichtet – erster Leiter war ab etwa 1949 Oberst a.D. Friedrich Paul Hugo Boetzel, der ehemalige General der Nachrichtenaufklärung bis 1945 und ab 1956 Leiter der Dienststelle für Fernmeldeaufklärung und Schlüsselwesen, später in Fernmeldedienststelle der Bundeswehr (FmDstStBw), Amt für Fernmeldewesen der Bundeswehr (AFmWBw), Amt für Nachrichtenwesen der Bundeswehr (ANBw) und Zentrum für Nachrichtenwesen der Bundeswehr umbenannt sowie Ende 2007 außer Dienst gestellt.
Auch der BGS hat – neben der Funküberwachung von gegnerischen Agentenfunkstellen in Deutschland ab 1953 – mit drei Fernmeldeaufklärungs-Hundertschaften in Oerlenbach, Fuldatal und Bad Bramstedt bis 1956 Funkaufklärung im HF- und VHF-/UHF-Bereich entlang der innerdeutschen Grenze und der Grenze zur CSSR betrieben.