“Arendt-Stationen” — Deutsche Fernsprechaufklärung im 1. Weltkrieg

Gene­ral der Nach­rich­ten­trup­pe Albert Praun berich­tet in sei­nen Erin­ne­run­gen[1] von Abhör­ver­su­chen der feind­li­chen Tele­fon­ver­bin­dun­gen im Jahr 1915 unter Ver­wen­dung von soge­nann­ten „Are­ndt-Gerä­ten“. Eine genaue zeit­li­che Ein­ord­nung trifft er nicht. Grund genug, der Infor­ma­ti­on ein­mal nach­zu­ge­hen.

Ingo Pötsch­ke

Der Name „Are­ndt“ kommt in prak­tisch allen Inter­net-Sei­ten und Quel­len vor, die sich mit Abhör­ver­su­chen im 1. Welt­krieg beschäf­ti­gen, aber genaue­re Anga­ben zur Per­son „Are­ndt“ macht nur Wolf­gang Krie­ger in sei­nem Buch „Die deut­schen Geheim­diens­te“. Nach die­ser Quel­le war Otto Are­ndt Post-Ober­inspek­tor und hat­te die „Are­ndt-Sta­tio­nen“ selbst ent­wi­ckelt.  Im Archiv der Gesell­schaft der Freun­de der Geschich­te des Funk­we­sens (GFGF) e.V. gibt es ein Buch von einem O. Are­ndt, wel­ches 1907 bei Vie­w­eg in Braun­schweig erschien und „Die elek­tri­sche Wel­len­te­le­gra­phie –Ein­füh­rung in die Theo­rie und Pra­xis“ heißt. Er kann die glei­che Per­son sein, aber ein zeit­li­cher Zusam­men­hang exis­tiert nicht.

Im GFGF-Archiv gibt es jedoch auch eine Rei­he von Kopien aus dem „Säch­si­schen Staats­ar­chiv“, die mehr Licht ins Dunk­le brin­gen: Mit Schrei­ben Nr. 9250 des Chefs der Feld­te­le­gra­phie-West vom 12.09.1915 und ein­ge­stuft als „Geheim“ an die Ober­kom­man­dos der Armeen wird über Abhör­ver­su­che feind­li­cher Fern­sprech­lei­tun­gen berich­tet – „Im Berei­che einer Armee haben Ver­su­che des Mit­hö­rens feind­li­cher Fern­ge­sprä­che aus den vor­ders­ten Stel­lun­gen mit güns­ti­gen Ergeb­nis­sen statt­ge­fun­den. Die Obers­te Hee­res­lei­tung hat dar­auf­hin die Fort­set­zung der Ver­su­che auf brei­te­rer Grund­la­ge und dazu die Anschaf­fung von wei­te­ren 15 Appa­ra­ten „Sys­tem Are­ndt“ befoh­len. Die Ein­füh­rung in den Ein­bau und die Ver­wen­dung der Appa­ra­te wird der Tele­gra­phen-Inge­nieur Are­ndt an Ort und Stel­le über­neh­men.“
Ange­ord­net wird fer­ner die Aus­wahl von Ver­suchs­fel­dern in den Gefechts­fron­ten und geeig­ne­ter Sprach­kun­di­ger sowie die Aus­bil­dung von Tele­gra­phis­ten, der Aus­bau der Ein­fach­lei­tun­gen zu Dop­pel­lei­tun­gen und strengs­te Geheim­hal­tung. Es wird ein Befehl zur Schaf­fung von zen­tra­len Aus­wer­te­stel­len für die gewon­ne­nen Nach­rich­ten erwünscht. Hin­ge­wie­sen wird auf die Gefahr, daß der Geg­ner die Abhör­be­stre­bun­gen mit­be­kommt und reagiert. 

In einem wei­te­ren Schrei­ben (Bericht vom 03.10.1915 zu Abhör­ver­su­chen am 02.10.1915) wird der für das Abhö­ren anfäng­lich ein­ge­setz­te Ver­stär­ker mit einem Ver­stär­kungs­fak­tor von 50 — 100 als zu schwach ein­ge­stuft, ein neu­er Ver­stär­ker mit 500-facher Ver­stär­kung wird ange­kün­digt. 

Mit Schrei­ben Nr. 21011 des Chefs der Feld­te­le­gra­phie-West vom 17.11.1915 unter Bezug­nah­me auf eine Ver­fü­gung der Obers­ten Hee­res­lei­tung vom 08.11.1915 wird die Aus­stat­tung aller Armeen an allen Fron­ten – auch im Osten – mit 53 Horch­sta­tio­nen des „Sys­tems Are­ndt“ befoh­len. Pro Horch­sta­ti­on sind zur Bedie­nung ein­zu­set­zen: Vier Tele­gra­phis­ten (= Fun­ker), vier Dol­met­scher, ein Bau­trupp mit einem Unter­off­zier und drei Mann zur Instand­hal­tung, zwei Mann als Lei­tungs­pa­trouil­le, ein Offi­zier und ein Unter­of­fi­zier. 

Bild: „Lausch­stel­le“ der 3. (preuß.) Nach­rich­ten­ab­tei­lung — Quel­len: sie­he Fuß­no­te [2]

Bedingt durch den Umbau der deut­schen Lei­tun­gen auf Zwei­draht-Ver­bin­dun­gen wird beim Abhö­ren des Geg­ners fest­ge­stellt, daß auch die­ser die deut­schen Ein­draht-Ver­bin­dun­gen abhör­te. Es wird der Bau von Ein­draht­lei­tun­gen zur Des­in­for­ma­ti­on des Geg­ners ange­ord­net. Da der Ein­bau der nun schon zahl­rei­chen Horch­sta­tio­nen durch Post-Ober­inspek­tor Are­ndt vor Ort nicht mehr zu schaf­fen ist, wird die Abord­nung von Offi­zie­ren zu einem prak­ti­schen Unter­richt in Ber­lin beim Tele­gra­phen-Ver­suchs­amt ange­ord­net.[3]  
Die­sem Schrei­ben sind eine tech­ni­sche Beschrei­bung des Abhör­ver­fah­rens, Zeich­nun­gen zu den phy­si­ka­li­schen Prin­zi­pi­en sowie Schalt­bil­der des „Laut­ver­stär­kers“ und zur Ein­rich­tung der Horch­stel­le bei­gefügt – sie­he unten: „Phy­si­ka­li­sche Prin­zi­pi­en und Ein­rich­tung der Horch­stel­le“.

Mit Schrei­ben Nr. 23401 vom 25.02.1916 wer­tet der Chef der Feld­te­le­gra­phie-West fol­gen­des aus:

  • Die Ver­wen­dung der Are­ndt-Gerä­te bringt gute Ergeb­nis­se, 
  • Die Aus­beu­te der Nach­rich­ten auf fran­zö­si­scher Sei­te ist gerin­ger als bei den Eng­län­dern
  • Nach wie vor Stö­run­gen durch eige­nen Sprech­ver­kehr (auch mit Ein­draht­lei­tun­gen)
  • Unzwei­fel­haft auch Abhö­ren der eige­nen Ver­bin­dun­gen mit glei­chen Prin­zi­pi­en und Tech­nik
  • Vor­han­den­sein zahl­rei­cher fran­zö­si­scher Abhör­sta­tio­nen („Phe­no­me­nee“ genannt)

Mit Schrei­ben vom 21.04.1916 wird durch den Chef des Gene­ral­sta­bes des Feld­hee­res für die Are­ndt-Sta­tio­nen ange­ord­net, daß die­se zukünf­tig als „Kon­troll­sta­tio­nen“ zu bezeich­nen sind, die­se soweit weg wie mög­lich von der vor­de­ren Linie ent­fernt sein sol­len und der unkon­trol­lier­te Zutritt zu ver­hin­dern ist.

Bis zum Ende des 1. Welt­krie­ges steigt die Zahl der vor­han­de­nen Are­ndt-Sta­tio­nen auf ca. 290 Stück, die an allen Fron­ten ein­ge­setzt wer­den. Der Erfolg wird per­spek­ti­visch immer gerin­ger gewor­den sein. Nicht nur die deut­sche Trup­pe bau­te ihre Net­ze zuneh­mend auf Zwei­draht­ba­sis ohne Erdung aus, son­dern auch der Geg­ner. Ab 1916 setzt sich suk­zes­si­ve auch das „Pupi­ni­sie­ren“ der Draht­ver­bin­dun­gen mit­tels Ver­dril­len der Adern und Zuset­zen von Spu­len durch. Für Fern­ver­bin­dun­gen des äußerst umfang­rei­chen Nach­rich­ten­net­zes wer­den ab 1916 auch Lei­tungs­ver­stär­ker (Tele­fon­ver­stär­ker) ein­ge­setzt. 

Es stellt sich nun noch die Fra­ge, ob sich die ein­ge­setz­ten „Are­ndt-Anla­gen“ tech­nisch iden­ti­fi­zie­ren las­sen: Das Schalt­bild des „Laut­ver­stär­kers“ ist recht fun­diert. 

Bild : Schalt­bild des „Arendt“-Verstärkers; Quel­le: Säch­si­sches Staats­ar­chiv

Auch hier erweist sich radiomuseum.org wie­der ein­mal als eine her­aus­ra­gen­de Quel­le: Im Bestand fin­det sich ein Daten­satz zu einem Ver­stär­ker KF 4, wel­cher von der Fa. AEG unter Ver­wen­dung der Röh­ren K1 und K3 gefer­tigt wur­de. Als Ver­wen­dungs­zweck wird ange­ge­ben, daß die­ser zum Abhor­chen von ein­po­lig geer­de­ten, fran­zö­si­schen Tele­fon­li­ni­en in Schüt­zen­grä­ben des 1. Welt­krie­ges dien­te. Ange­ge­ben wird als Her­stel­lungs­jahr 1916. 

Bild: AEG-Ver­stär­ker KF 4; Quel­le: Tele­fun­ken-Kata­log, GFGF-Archiv

Ein zwei­ter Daten­satz bezieht sich auf ein optisch glei­ches Gerät, her­ge­stellt von der Fa. TeKa­De (TKD) Nürn­berg. Ver­wen­det wur­den hier nach Anga­be des Eigen­tü­mers die Röh­ren Sie­mens A sowie TKD T1.

Bil­der: TKD-Ver­stär­ker KF 4 – geöff­net und von unten; Quel­le: Radiomuseum.org

Der Abgleich die­ser Daten­sät­ze mit dem vor­han­de­nen Schalt­bild aus 1915 ergibt eine weit­ge­hen­de Über­ein­stim­mung hin­sicht­lich der Röh­ren­zahl, der ver­wen­de­ten Wider­stän­de, der Über­tra­ger und der Anschluß­buch­sen. Die­se Ver­stär­ker dürf­ten also mit hoher Wahr­schein­lich­keit die in den Doku­men­ten des 1. Welt­krie­ges beschrie­be­nen „Are­ndt-Gerä­te“ sein. Die Doku­men­te bele­gen dann aber auch, daß die­se Gerä­te nicht erst 1916, son­dern schon vor dem 12.09.1915 exis­tier­ten, wie auch die Röh­ren, da die Lite­ra­tur die Her­stel­lung der ver­wen­de­ten Röh­ren bei AEG, Sie­mens und TeKa­De (TKD) ab ca. Mit­te 1914 beschreibt.

Bild:

Frü­he, im Ver­stär­ker KF 4 ver­wen­de­te AEG-/Te­le­fun­ken-Röh­ren; 
Quel­le: Tele­fun­ken-Kata­log, GFGF-Archiv

 Es exis­tier­te also bereits 1915 eine aus­rei­chen­de Anzahl von Röh­ren für die Abhör­ver­su­che ab Mit­te 1915. 

Phy­si­ka­li­sche Prin­zi­pi­en und Ein­rich­tung der Horch­stel­le

Als Anla­ge zu einem Schrei­ben des Chef der Feld­te­le­gra­phie-West vom 17.11.1915 wird eine genaue Beschrei­bung der ver­wen­de­ten Tech­nik und der Prin­zi­pi­en des Abhö­rens gege­ben. Aus Grün­den der bes­se­ren Les­bar­keit wur­de die­se Anlei­tung mit­tels OCR ins moder­ne Leben por­tiert, Recht­schrei­bung und Aus­druck sind Ori­gi­nal:
Das Abhor­chen feind­li­cher Fern­sprech- und Tele­gra­phen­lei­tun­gen ist mit ver­hält­nis­mä­ßig ein­fa­chen Mit­teln mög­lich, solan­ge die feind­li­chen Lei­tun­gen als Ein­fach­lei­tung mit Erdrück­lei­tun­gen betrie­ben wer­den. Der Hor­ch­ap­pa­rat besteht im wesent­li­chen aus einem Laut­ver­stär­ker, über des­sen beson­de­re Ein­rich­tung und Bedie­nung jedem Appa­rat eine Beschrei­bung bei­gege­ben ist. 
Der Grund­ge­dan­ke des Abhör­ver­fah­rens ist fol­gen­der: Wenn eine Fern­sprech- oder Tele­gra­phen­lei­tung als Ein­zel­lei­tung unter Benut­zung der Erde als Rück­lei­tung benutzt wird, so ist der elek­tri­sche Strom wäh­rend sei­nes Weges durch das Erd­reich nicht, wie in der metal­li­schen, von der Erde iso­lier­ten Lei­tung, an eine bestimm­te Bahn gebun­den
son­dern er ver­teilt sich in vie­len „Fäden“, die um die Erdungs­punk­te ein weit ver­zweig­tes Streu­feld bil­den.
Wird eine an bei­den Sei­ten mit Erde ver­bun­de­ne metal­li­sche Lei­tung (a‑b in Abb. 1) in die­ses Streu­feld gebracht, sover­ei­ni­gen sich in ihr eine Anzahl von „Strom­fä­den“, die zur Betä­ti­gung des Hor­ch­ap­pa­ra­tes ver­wen­det wer­den kön­nen. Je näher die Horch­lei­tung a‑b der Erde der abzu­hor­chen­den Lei­tung D‑E gebracht wird, umso stär­ker ist der Strom­fluß in der Lei­tung b‑a. Bei Ent­fer­nun­gen zwi­schen E und b bis zu etwa 10 m kann man schon durch einen in die Horch­lei­tung ein­ge­schal­te­ten Fern­hö­rer die in D‑E geführ­ten Gesprä­che mit­hö­ren und ver­ste­hen; bei einem Abstand E‑b über 10 bis 50 m sind ein­zel­ne Wor­te oder Lau­te zu ver­ste­hen. Wird vor den Hörer C ein Laut­ver­stär­ker geschal­tet, so kön­nen die in D‑E geführ­ten Gesprä­che noch ver­stan­den wer­den, wenn die Ent­fer­nung E‑b auf 200 bis 300 m ver­grö­ßert wird, Sum­mer­zei­chen wer­den auf erheb­lich grö­ße­re Ent­fer­nun­gen noch gut ver­stan­den. 

Bild:  

Skiz­zen zu den phy­si­ka­li­schen Prin­zi­pien; Quel­le: Säch­si­sches Staats­ar­chiv

Die Stär­ke der Laut­wir­kung in dem Fern­hö­rer C wird unter sonst glei­chen Ver­hält­nis­sen durch den Unter­schied der elek­tri­schen Span­nung zwi­schen a und b bestimmt: Die­ser hängt von der Ent­fer­nung und von dem Ver­hält­nis der Punk­te a und b zum Streu­fel­de ab. In Abb. 2 bezeich­nen die um die End­punk­te der Lei­tung E‑D geleg­ten Kur­ven annä­hernd die Lini­en glei­cher elek­tri­scher Span­nung: Der Strom­fluß in a‑b ist umso grö­ßer, je mehr sol­cher Lini­en von der gera­den Ver­bin­dungs­li­nie a‑b geschnit­ten wer­den. Hier­nach wer­den die in Abb. 2 gezeich­ne­ten Horch­lei­tun­gen a3-b3 und a5-b5 die wirk­sams­ten sein; a1-b1, a4-b4 und a7-b7 wer­den nur ganz gerin­ge Wir­kung zei­gen; a6-b6 wird wesent­lich schlech­ter als a5-b5 und a4-b4 wird schlech­ter als a2-b2 wir­ken. 
Um feind­li­che Lei­tun­gen abzu­hor­chen, müs­sen also Horch­lei­tun­gen bis in den Bereich der Streu­fel­der der feind­li­chen Tele­gra­phen- oder Fern­sprech­lei­tun­gen vor­ge­streckt und dort mit Erde ver­bun­den wer­den. Für jede Horch­lei­tung ist außer­dem ein geeig­ne­ter zwei­ter Erdungs­punkt in dem Streu­fel­de zu suchen. Da die Lage der feind­li­chen Sta­tio­nen (D und E in Abb
.2) nicht bekannt ist, und man des­halb anfangs kein Urteil über den Ver­lauf des Streu­fel­des der feind­li­chen Zei­tun­gen hat, sind zunächst an allen Punk­ten, wel­che die größ­te gedeck­te Annä­he­rung an die feind­li­chen Lini­en gestat­ten, die Horch­lei­tun­gen vor­zu­brin­gen: Hier­zu eig­nen sich in ers­ter Linie Sap­pen und Minier­stol­len. Das Vor­tra­gen der Lei­tun­gen auf frei­em Fel­de durch Patrouil­len ist zu ver­mei­den.

Bild: 

Erläu­te­rung zur Anschal­tung an die Horch­sta­ti­on;
Quel­le: Säch­si­sches Staats­ar­chiv

Ange­nom­men, daß die in Abb. 3 ange­deu­te­ten Erd­lei­tun­gen b1 bis b5 in Sap­pen und Minier­stol­len vor­ge­bracht sind, daß hin­ter ihnen die Erdungs­punk­te a1 bis a5 inner­halb der eige­nen Stel­lun­gen lie­gen und die Ver­bin­dungs­lei­tun­gen sämt­li­cher Erd­punk­te bei der Horch­sta­ti­on H an einen Umschal­ter geführt wird, durch wel­chen sie belie­big unter­ein­an­der ver­bun­den wer­den kön­nen, dann ist ohne Wei­te­res ersicht­lich, daß man Gesprä­che, die auf einer feind­li­chen Lei­tung E1‑D geführt wer­den, mit den Horch­lei­tun­gen b1-b5 am bes­ten hört, wäh­rend z.B. zwi­schen b1 und a1 die Wir­kung des Lau­schers nur gering sein wird. Das Umge­kehr­te tritt bei Gesprä­chen zwi­schen E2 und D ein. Um eine mög­lichst güns­ti­ge Wir­kung zu erzie­len, kommt es dar­auf an, die nahe an den Feind her­an­ge­brach­ten Horch­lei­tun­gen in man­nig­fal­ti­gen Ver­bin­dun­gen zu ver­su­chen. 
Hat man durch län­ge­re Beob­ach­tun­gen eini­ge als beson­ders wir­kungs­voll erkannt, so wird man sie bevor­zu­gen und die übri­gen an eine ande­re Stel­le ver­le­gen. Auf die Ent­fer­nung der Horch­sta­ti­on von den Erdungs­punk­ten a und b kommt es in all­ge­mei­nen nicht an. Die Horch­sta­ti­on kann meh­re­re km hin­ter der Front unter­ge­bracht wer­den. Dazu müs­sen sämt­li­che Horch­lei­tun­gen — alle unter­ein­an­der ver­drillt — ent­spre­chend ver­län­gert wer­den. Es ist aber aus spä­ter zu erör­tern­den Grün­den rat­sa­mer, die Sta­ti­on nahe an der Front ein­zu­rich­ten. Bei Gewit­ter­stö­run­gen tre­ten zwi­schen zwei, von­ein­an­der ent­fernt gele­ge­nen Erdungs­punk­ten durch den Aus­gleich der elek­tri­schen Ladun­gen im Erd­bo­den leicht erheb­li­che Geräu­sche im Fern­hö­rer auf, die das Abhö­ren vor­über­ge­hend beein­träch­ti­gen oder ver­hin­dern. Die Erd­ge­räu­sche sind in all­ge­mei­nen um so stär­ker, je wei­ter die Ladungs­punk­te aus­ein­an­der lie­gen: Gegen ihren Ein­fluß kann man sich daher bis zu einem gewis­sen Gra­de dadurch schüt­zen, daß man näher an ein­an­der gele­ge­ne Erdungs­punk­te wählt. Um dies zu erleich­tern, emp­fiehlt es sich z.B. beim Vor­brin­gen der Hor­cher­den jedes­mal eine zwei­te Erde (o1-o5 in Abb. 3) mit nach vorn zu füh­ren, und sie um etwa 40 bis 50 m hin­ter der zuge­hö­ri­gen Erde b1-b5 zurück­zu­las­sen. Tre­ten dann beim Abhor­chen z.B. auf der Lei­tung a1-b1 Erd­ge­räu­sche auf, so kann man a1 durch c1 erset­zen. Obwohl die­ses Mit­tel auch die Sprach­auf­nah­me schwächt,  ver­hilft es doch in vie­len Fäl­len wie­der zu einer aus­rei­chen­den Ver­stän­di­gung. 
Solan­ge die deut­schen Sprech­lei­tun­gen in den vor­ders­ten Lini­en aus Ein­zel­lei­tun­gen bestehen, wer­den in den Hor­chern selbst­re­dend auch die deut­schen Gesprä­che und
 Sum­mer­zei­chen gehört, und zwar sowohl durch die Auf­nah­me von „Strom­fä­den“ aus der Erde, als auch durch Induk­ti­on aus par­al­le­len Sprech­lei­tun­gen. Vor­aus­set­zung für die Ver­wen­dung des Hor­ch­ap­pa­ra­tes ist daher der Aus­bau der eige­nen Lei­tun­gen in Bereich von etwa 1.OOO m im Umkreis der Horch­lei­tun­gen zu Dop­pel­lei­tun­gen. Um das Gebiet die­ses Aus­bau­es zu beschrän­ken, emp­fiehlt sich die Auf­stel­lung der Hor­cher mög­lichst nahe der vor­ders­ten Linie. Dadurch läßt sich zugleich das Netz der Horch­lei­tun­gen von der Sta­ti­on­aus wesent­lich leich­ter über­se­hen und instand­hal­ten. Die Erfah­rung hat gelehrt, daß bei der Emp­find­lich­keit der Hor­ch­ap­pa­ra­te auch die Gesprä­che aus Dop­pel­lei­tun­gen des eige­nen Net­zes mit gehört wer­den, wenn sie eine län­ge­reStre­cke par­al­lel zu den Horch­lei­tun­gen ver­lau­fen, und zwar selbst wenn die Sprach­lei­tun­gen und die Hoch­lei­tun­gen ver­drillt sind. Beim Ein­bau der Horch­lei­tun­gen muß hier­auf Rück­sicht genom­men wer­den. Der Aus­bau der deut­schen Lei­tun­gen längs der gan­zen Front zu Dop­pel­lei­tun­gen ist zugleich der bes­te Schutz gegen Abhör­ver­su­che des Fein­des, die anschei­nend stel­len­wei­se schon ist Gan­ge sind. 
Wo die­ser Aus­bau nicht als­bald aus­ge­führt wer­den kann, läßt sich in Abschnit­ten, die kei­ne deut­schen Abhör­ap­pa­ra­te ent­hal­ten, dadurch ein Schutz erzie­len, daß die Erd­lei­tun­gen der eige­nen Sta­tio­nen min­des­tens 500 m hin­ter die deut­sche Front zurück­ver­legt wer­den. Die an meh­re­ren Stel­len der West­front vor­ge­nom­me­nen Ver­su­che haben erge­ben, daß zur Zeit noch viel­fach mit Ein­zel­lei­tun­gen beim Fein­de gerech­net wer­den darf. Aber nach gewis­sen Beob­ach­tun­gen und auf­ge­fun­de­nen Draht­ver­bin­dun­gen ist die Ver­mu­tung nicht unbe­grün­det, daß der Feind an ein­zel­nen Stel­len auch schon mit der Ver­wen­dung von Dop­pel­lei­tun­gen begon­nen hat. Es ist des­halb von der aller­größ­ten Wich­tig­keit, daß dem Fein­de die Anwen­dung von Hor­chern auf deut­scher Sei­te ver­bor­gen bleibtdenn sobald er auch nur den gerings­ten Ver­dacht schöpft, wird er sich in der­sel­ben Wei­se dage­gen schüt­zen, wie es für die deut­schen Lei­tun­gen vor­ge­se­hen ist. Auf die strengs­te Geheim­hal­tung der deut­schen Ein­rich­tun­gen ist daher der aller­größ­te Wert zu legen. Auch müs­sen alle Vor­be­rei­tun­gen so unauf­fäl­lig wie mög­lich aus­ge­führt wer­den; vor allen ist zu ver­mei­den, dem Fein­de Horch­lei­tun­gen anders als unter der Erde ent­ge­gen zu trei­ben. 
Zur Unter­brin­gung der Appa­ra­te ist mög­lichst ein bom­ben­si­che­rer geräu­mi­ger Unter­stand bereit zu stel­len, etwa am Deckungs­gra­ben oder an einer geschütz­ten Stel­le des Annä­he­rungs­we­ges. Bei der Erkun­dung des Plat­zes für die Horch­sta­ti­on ist zu berück­sich­ti­gen, daß für ihren Betrieb Samm­ler­bat­te­rien gebraucht wer­den, die auf­ge­la­den wer­den müs­sen. Die Span­nung der Bat­te­rien beträgt 4–6 Volt, ihre Kapa­zi­tät 65 Amp.St., die höchst­zu­läs­si­ge Lade­strom­stär­ke 24 Amp. Zu jeder Sta­ti­on wer­den 6 Bat­te­rien gelie­fert, von denen 2 im Betrieb sind, 2 sich auf dem Wege zur oder von der Lade­stel­le befin­den und 2 gela­den wer­den. Die Kapa­zi­tät der Bat­te­rien reicht für einen unun­ter­bro­che­nen Betrieb von etwa 50 bis 60 Stun­den aus. Wäh­rend die­ser Zeit müs­sen die Ersatz­bat­te­rien also hin und her beför­dert und gela­den wer­den. Da somit eine aus­rei­chen­de Zeit für die Ladung der Bat­te­rien zur Ver­fü­gung steht, kön­nen sie mit ent­spre­chend nied­ri­ger Strom­stär­ke als 24 Amp. gela­den wer­den. Hier­nach ist eine geeig­ne­te Lade­strom­quel­le aus zu suchen und der Lade­strom­kreis her­zu­rich­ten. 
Zu beach­ten ist, daß eine Stark­strom­lei­tung in der Nähe der Abhör­lei­tun­gen im Hor­ch­ap­pa­rat star­ke Geräu­sche her­vor­ruft, die die Sprach­auf­nah­me wesent­lich beein­träch­ti­gen oder ganz ver­hin­dern. Dage­gen ist Gleich­strom unschäd­lich aus Samm­ler­bat­te­rien. Die bis­her gemach­ten Erfah­run­gen haben erge­ben, daß die Fran­zo­sen für die Nach­rich­ten­ver­mitt­lung sich des Fern­spre­chers, die Eng­län­der dage­gen fast immer des Sum­mers bedie­nen. Hier­aus ergibt sich, daß für die Bedie­nung der Horch­sta­tio­nen an der fran­zö­si­schen Front Dol­met­scher, an der eng­li­schen Front Dol­met­scher und Tele­gra­phis­ten not­wen­dig sind. Die Dol­met­scher müs­sen nicht nur die frem­de Spra­che ganz flie­ßend am Fern­spre­cher auf­neh­men kön­nen, auch wenn sehr schnell und undeut­lich gespro­chen wird, son­dern auch aus­rei­chend Bil­dung besit­zen, um das Gehör­te sogleich dem Sin­ne nach oder wört­lich auf­schrei­ben zu kön­nen. Die Tele­gra­phis­ten müs­sen beson­de­re Übung im Auf­neh­men nach Gehör haben.

Quel­len:
Doku­men­te aus dem säch­si­schen Staats­ar­chiv, Radiomuseum.org, Tele­fun­ken-Kata­log, GFGF-Archiv,

Zum Autor:
Ingo Pötsch­ke ist Vor­sit­zen­der der Gesell­schaft der Freun­de der Geschich­te des Funk­we­sens (GFGF) e.V. und Mit­glied im Fern­mel­de­ring.

Hin­weis der Redak­ti­on:
Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen zur Gesell­schaft der Freun­de der Geschich­te des Funk­we­sens (GFGF) e.V. sind zu fin­den unter: Gesell­schaft der Freun­de der Geschich­te des Funk­we­sens
und im Arti­kel zur GFGF in der F‑Flagge 2–2022, S. 57 f.


[1] Praun, Albert: Sol­dat in der Tele­gra­phen- und Nach­rich­ten­trup­pe – Selbst­ver­lag, Würz­burg 1965

[2] Tele­gra­phen-/Nach­rich­ten-/ Fern­mel­de­trup­pen und Füh­rungs­diens­te – Füh­rungs­un­ter­stüt­zung seit 1899, Hrsg.: Fern­mel­de­ring e.V. 1999 – S. 58; RADIOBOTE Jg. 10, Heft 59 — Sei­te 19; Radio­bo­te Jg. 5, Heft 28 — Sei­te 22 

[3] vor­ge­stellt in der „Tele­fun­ken-Zei­tung“ 13/1914