Politische Bildung und das Auseinandersetzen mit der eigenen Gesellschaft ist eine wichtige Grundlage, um das Ideal der Staatsbürgerinnen und Staatsbürger in Uniform mit Leben zu füllen. Das Offizierskorps des Informationstechnikbataillon 282 fuhr zu diesem Zweck in die Hauptstadt Berlin.
Eine Woche im November stand für das Führungspersonal des Bataillons ganz im Zeichen politisch-militärischer Beziehungen im Wandel der Zeit. Mit einem besonderen Blick auf die Geschichte der Stadt Berlin als Herz des politischen Deutschlands in Vergangenheit und Gegenwart war das Ziel der Ausbildungswoche klar: Das eigene Selbstverständnis schärfen und neue Impulse zurück in den heimischen Verband tragen.
MILITÄRISCH-HISTORISCHE VERANTWORTUNG
Sich politisch-historisch zu bilden, ist für Angehörige der Bundeswehr auch Vergewisserung der besonderen Verantwortung, welche die deutschen Streitkräfte tragen. Eine Stadtführung ohne eine Besichtigung des Denkmals für die ermordeten Juden in Europa wäre dieser Verantwortung nicht gerecht geworden. Ein weiterer wichtiger Punkt: Berlin als Frontstadt des Kalten Krieges. Die Brücke zur Gegenwart und der Vielfalt, die Deutschland und besonders Berlin heute auszeichnet, wurde in der Neuen Synagoge Berlin – dem Centrum Judaicum – gebaut.
Im Anschluss ging es in die Militärstadt Zossen/ Wünsdorf. Vom Oberkommando des Heeres der Wehrmacht zum militärischen Hauptquartier der Westgruppe der sowjetischen Streitkräfte: Hier erhielten die Offiziere einen Einblick in die Geschichte und die baulichen Einrichtungen der verschiedenen Militärs, welche hier aktiv waren. Die Teilnehmenden entdeckten, trotz stundenlangen Marsches, nur Bruchteile der gesamten Anlage. Gänzlich neu für alle Teilnehmenden der Ausbildungswoche: Die historischen Bunkeranlagen und wie sich die verschiedenen Traditionslinien – oder vielmehr die Brüche der Traditionen – architektonisch wiederfanden.
BLICK IN DIE VERGANGENHEIT – GESPRÄCHE FÜR DIE GEGENWART
Im Tränenpalast, der ehemaligen Ausreisehalle der DDR am Bahnhof Friedrichstraße, konnten die Offiziere den Weg zur Ausreise zugelassener Bürgerinnen und Bürgern und die damit verbundenen Schmerzen der zurückbleibenden Familien nachverfolgen.
In der Zivilschutzanlage Blochplatz wurden noch ganz andere Wege greifbar. Der Besucherdienst Berliner Unterwelten e.V. stellte die gefährlichen und heute oft nur schwer nachvollziehbaren unterirdischen Fluchtrouten durch die selbst gebauten Tunnel vor. Beeindruckend war dabei die Anzahl der Tunnel, welche sowohl von Ost nach West, als auch von West nach Ost gegraben wurden. Auf westdeutscher Seite wurden durch deutsche und internationale Akteure Finanzen bereitgestellt, um weitere Anreize zu schaffen. Die Vielfalt der perfiden Sperren und Anlagen, mit welchen die Flucht aus dem Osten, ob durch den Untergrund oder an der Oberfläche, verhindert werden sollte, regte die Teilnehmenden intensiv zum Nachdenken an. An diesen Verbrechen war Militär beteiligt – deutsches Militär. Das eigene Selbstverständnis und die eigenen militärischen Grundsätze gegen diese Geschichte zu legen, ist immer wieder ein Gewinn politisch-historischer Bildung. Ganz praktisch konnten sich beispielsweise zwei Offiziere selber davon überzeugen, wie schwer es ist, einen Gullideckel lautlos aus seiner Fassung zu heben und wiedereinzusetzen.
Am Platz der Republik nahm sich Dr. Marlon Bröhr, Mitglied des Deutschen Bundestages und Angehöriger des Verteidigungsausschusses, Zeit, um mit den Soldatinnen und Soldaten aktuelle sicherheitspolitische Entwicklungen aus parlamentarischer Sicht zu diskutieren.
Abgeschlossen wurde das Programm mit einer weiteren ausführlichen Gesprächsrunde unter der Überschrift „Deutsche Soldaten im Wandel der Zeit“, worin unter anderem Bräuche und Traditionen in der Bundeswehr kontrovers diskutiert wurden. Für die IT-Profis aus Kastellaun war es wichtig und vom ersten Moment klar, historische Impulse nicht nur für sich persönlich, sondern als Lehren für den Dienstalltag und ihre Funktionen als Offiziere ihres Verbandes mitzunehmen.
von Marcel Wittke