IT-Schule Bw: Besuch des Militärbundesrabbiners Zsolt Balla

Mili­tär­bun­des­rab­bi­ner Zsolt Bal­la bei sei­nem per­sön­li­chen Vor­trag
Der gro­ße Vor­trags­saal der IT-Schu­le Bw war voll besetzt, das Inter­es­se groß.

Gro­ßes Inter­es­se an den Relik­ten jüdi­schen Lebens im frü­he­ren Lager Feldafing.

v.l.n.r.: Hptm Schmidt (Ltr der Lehr­samm­lung),
Mili­tär­bun­des­rab­bi­ner Zsolt Bal­la,
Brig­Gen Simon (Kdr ITS­Bw)


Brü­cken­bau­er des Glau­bens — Kommt ein Rab­bi zu Besuch

Pöcking – Hoher Besuch in der IT-Schu­le der Bun­des­wehr. Zsolt Bal­la, der ers­te Mili­tär­rab­bi­ner im deut­schen Mili­tär seit mehr als 100 Jah­ren, stell­te sich in Pöcking den Fra­gen der Sol­da­ten.

Der gro­ße Vor­trags­saal war voll besetzt, als Gene­ral Rai­ner Simon den Mili­tär­bun­des­rab­bi­ner, so sein offi­zi­el­ler Titel, vor­stell­te. Bal­la hat­te in Buda­pest ein Stu­di­um als Wirt­schafts­in­ge­nieur abge­schlos­sen als Grund­la­ge für die Rab­bi­ner­aus­bil­dung. Das Ziel, Men­schen zu hel­fen, hat­te er schon damals fest im Blick. Die Hil­fe­stel­lung für Men­schen mit Sor­gen und Pro­ble­men, Ängs­ten und Schwie­rig­kei­ten, sieht er als sei­ne grund­le­gen­de Auf­ga­be – über die Gren­zen der Kon­fes­si­on hin­weg. Der drei­fa­che Fami­li­en­va­ter ist denn auch als Rab­bi­ner der Jüdi­schen Gemein­de in Leip­zig auch außer­halb der Bun­des­wehr seel­sor­ge­risch tätig.

Jüdi­scher Ansprech­part­ner für alle Sol­da­ten

Ers­te mili­tä­ri­sche Erfah­run­gen hat Bal­la im Zen­trum Inne­re Füh­rung in Koblenz gemacht. 2014 als jüdi­scher Ansprech­part­ner der „Zen­tra­len Ansprech­stel­le für Sol­da­ten ande­rer Glau­bens­rich­tun­gen“. Sein ers­tes dienst­li­ches Gespräch über­haupt führ­te er hier mit einem mus­li­mi­schen Sol­da­ten, für ihn unver­gess­lich.

Teil der Bun­des­wehr

Jüdi­sche Seel­sor­ge für Sol­da­ten unter­schei­de sich nur in Nuan­cen von der christ­li­chen Pra­xis, so Bal­la. „Wir sind Teil des Sys­tems Bun­des­wehr. Wir bau­en ein Netz­werk, um gegen­sei­tig hel­fen und unter­stüt­zen zu kön­nen.“ Künf­tig sol­len zehn Rab­bi­ner Dienst in ganz Deutsch­land tun und auch in den Aus­lands­ein­sät­zen.

Rab­bi­ner: Qua­li­tät vor Schnel­lig­keit

Sta­tio­niert wer­den sie in fünf Städ­ten: Ham­burg, Pots­dam, Köln, Mün­chen und Leip­zig. Das Mili­tär­rab­bi­nat will dafür sor­gen, dass mög­lichst jeweils ein ortho­do­xer und ein nicht-ortho­do­xer Rab­bi­ner an einem Stand­ort die­nen. Dabei ist der Auf­bau die­ser Struk­tur schwie­rig und lang­wie­rig. Denn für den Mili­tär­bun­des­rab­bi­ner geht Qua­li­tät vor Schnel­lig­keit. Schließ­lich sei der künf­ti­ge Kon­takt mit einem Mili­tär­rab­bi­ner in den aller­meis­ten Fäl­len auch das ers­te Tref­fen mit einem Juden und somit beson­ders wich­tig, ein „Erst­kon­takt“ eben. 

Zehn Mili­tär­rab­bi­ner

Nicht Fach­idio­ten sei­en als Rab­bi­ner gefragt, son­dern Cha­rak­te­re mit inter­dis­zi­pli­nä­rem Ansatz, ohne reli­giö­se Geis­tes­schran­ken, die ihre Welt­an­schau­ung stän­dig wei­ter­ent­wi­ckeln. Die Ent­schei­dung des Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­ums, zehn Rab­bi­ner-Stel­len für geschätzt 300 Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten jüdi­schen Glau­bens zu schaf­fen, hält Bal­la für rich­tig. Denn es bedür­fe einer gewis­sen Per­so­nal­stär­ke, um bun­des­weit arbeits­fä­hig zu wer­den. Der­zeit sind erst drei der zehn Stel­len besetzt. Rund 110 Jüdi­sche Gemein­den gibt es der­zeit in Deutsch­land. Die größ­ten sind Mün­chen mit rund 9.000 Gläu­bi­gen und Ber­lin. 75 Rab­bi­ner betreu­en die Gläu­bi­gen, davon sind etwa 50 ortho­dox.

Du sollst nicht mor­den!

Das Juden­tum hält der Mili­tär­bun­des­rab­bi­ner für pra­xis­ori­en­tiert, Gewalt­an­wen­dung zur Ver­tei­di­gung sei nicht nur zuläs­sig, son­dern sogar gefor­dert. Die Bibel ste­he hier nicht ent­ge­gen, im Gegen­teil. Denn, so Bal­la, das Gebot hei­ße eben nicht: „Du sollst nicht töten“ son­dern „Du sollst nicht mor­den“. Und hier lie­ge ein fun­da­men­ta­ler Unter­schied begra­ben. Denn in extre­men Fäl­len erlau­be der Tal­mud sogar die Anwen­dung von Gewalt auch außer­halb mili­tä­ri­scher Kon­flik­te. „Der jüdi­sche Glau­be ist voll kom­pa­ti­bel mit Lan­des- und Bünd­nis­ver­tei­di­gung. Das ent­spricht unse­rem Ver­ständ­nis von Ver­tei­di­gung und Kampf für die Frei­heit.“

Zwi­schen Reli­gi­on und Poli­tik

In der Pra­xis sei es für ihn äußerst inter­es­sant zu beob­ach­ten und zu ana­ly­sie­ren, wie die israe­li­schen Mili­tär­rab­bi­ner arbei­te­ten im stän­di­gen Span­nungs­fall zwi­schen Reli­gi­on und Poli­tik. Es zei­ge sich immer wie­der, wie wich­tig es sei, dass die Streit­kräf­te fes­ter Teil der Gesell­schaft blie­ben, um Ent­wick­lun­gen in die fal­sche Rich­tung im Ansatz zu unter­bin­den.

Hei­mat — zu Hau­se 

Dabei ver­steht sich der gebür­ti­ge Ungar Bal­la kei­nes­falls als Reprä­sen­tant Isra­els, auch wenn er durch sei­ne Fami­lie und sei­ne Aus­bil­dung sehr enge Bin­dun­gen an das Land hat. Ungarn sei sei­ne Hei­mat, zu Hau­se füh­le er sich aber bei sei­ner Fami­lie in Leip­zig. Hier genießt er die Frei­hei­ten des Lebens in Deutsch­land und die Ruhe Leip­zigs – nach acht Jah­ren im stür­mi­schen Ber­lin. „Und natür­lich bin ich jüdisch! Ich ver­tre­te als Rab­bi­ner die Wer­te mei­ner Reli­gi­on, nicht die einer Natio­na­li­tät.“ Und das macht er in vier Spra­chen: Deutsch, Unga­risch, Eng­lisch und Hebrä­isch.

Brü­cken­bau­er des Glau­bens 

„Wir sind für jeden Bun­des­wehr­sol­da­ten da, egal wel­chen Glau­bens! Wir wol­len dazu bei­tra­gen, ethi­sche und mora­li­sche Stan­dards zu hal­ten. Da wir nicht Teil der mili­tä­ri­schen Struk­tu­ren sind, sind wir auch nicht wei­sungs­ge­bun­den gegen­über dem BMVg oder irgend­ei­ner mili­tä­ri­schen Dienst­stel­le. Wir die­nen den Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten.“

Unbe­weg­lich­keit des Ver­wal­tungs­ap­pa­rats 

Dabei ver­steht er sich kei­nes­falls als Anti­se­mi­tis­mus-Beauf­trag­ter, son­dern als „Brü­cken­bau­er des Glau­bens und der Mensch­lich­keit“. Nach fast 600 Tagen im Amt des Mili­tär­bun­des­rab­bi­ners stößt sich Bal­la in sei­ner Arbeit immer wie­der an der Unbe­weg­lich­keit des Ver­wal­tungs­ap­pa­rats. Er wür­de sich freu­en, wenn es mehr Bereit­schaft dazu geben wür­de, so man­che ein­ge­fah­re­nen Abläu­fe und Ver­fah­ren zu moder­ni­sie­ren – auch wenn es schon seit 50 Jah­ren und mehr so gemacht wer­de. 

Autor: OTL Sin­ger IT-Schu­le Bw