Nach Vorstellung der Bildtafeln zur Umgliederung und Umbenennung der Telegraphentruppe in Nachrichtentruppe (1917) wird die Serie zu o.a. Bildtafelausstellung mit der Vorstellung der Bildtafeln zur Demobilisierung der Nachrichtentruppe (1918/19) und zu ihrer Gliederung im “Übergangsheer“ (1919/20) fortgesetzt.
Oberst a.D. Peter Uffelmann
Im Frühjahr 1918 waren die in 1917 begonnenen Reorganisationsmaßnahmen soweit abgeschlossen, daß die langjährige von Stagnation, Fehlentwicklungen und Improvisationen gekennzeichnete Periode beendet war. Man hatte endlich aus den Fehlern der Vorkriegszeit und der ersten Kriegsjahre gelernt. Aus der Sicht der Nachrichtenführung aber waren die Veränderungen zu spät eingeleitet worden, um noch in vollem Umfange wirksam zu werden. Die sich schon seit Anfang 1918 zu Ungunsten der Mittelmächte entwickelnde Kriegslage ließ dazu schon keine Zeit mehr.
Dabei war die Nachrichtentruppe in besonderem Maße gefordert, die personelle und materielle gegnerische Überlegenheit durch Sicherstellung der Führungsfähigkeit zumindest etwas auszugleichen. Im Februar 1918 verfügte das Kriegsministerium in diesem Zusammenhang „für jeden der 120 Divisions-Abschnitte an der Westfront einen bodenständigen Offizier der Nachrichtentruppen […] einzusetzen, der […] den mit ihren Divisionen kommenden und gehenden Divisions-Nachrichten-Kommandeuren mit seiner genauen Kenntnis der örtlichen Verhältnisse Unterstützung leisten sollte.“
Darüber hinaus mussten Teile der Nachrichtentruppe im Frühjahr 1918 die Führungsunterstützung auch wieder in zeitlich und räumlich begrenzten Phasen des Bewegungskrieges gewährleisten — sowohl während des deutschen Vormarsches an der Ostfront in Rußland und in die Ukraine vor dem Frieden von Brest-Litowsk, als auch an der Westfront während der diversen deutschen Frühjahrsoffensiven.
In diesem Zusammenhang kam es auch noch zur Einführung einiger neuer tragbarer bzw. verlegefähiger Funkgeräte, wobei sich zudem die Einführung der letzten „gedämpften“ Lösch-/Tonfunkensender mit der Einführung der ersten „ungedämpften“ Röhrensender zeitlich überlappte: Die zunächst als „Sturmtruppen- bzw. Granattrichterstation“ ausgelieferte Kleine Tonfunkenstation AKS 58 mit einem Gesamtgewicht von 18 kg (davon: 6 kg für Akku, der ggf. separat transportiert werden konnte) und drei Sendefestfrequenzen im Mittelwellenbereich (1.000 — 1.333 — 2.000 KHz; Empfänger: 500 — 2.000 kHz)
Bild:
Kleine Tonfunkenstation AKS 58
wurde 1918 in modifizierter Form (Sender: 187,5 — 2.000 KHz/Empfänger: 79 — 2.000 kHz) als Große Funkenkleinstation 18 („G‑Fuk 18“) mit Teleskop- bzw. Steckmast (15 m mit 6‑Draht-Schirmantenne bzw. 12 m mit T‑Antenne) auf zwei zweirädrigen Karren und mit zwei Zugpferden fahrbar gemacht – eine sogenannte „Leichte Funkstation“ der Vorkriegszeit erforderte demgegenüber je sechs Zugpferde für die zwei vierrädrigen Wagen …
Bild: Große Funkenkleinstation 18 („G‑Fuk 18“)
Auch die Kleine Funkenkleinstation 17 („K‑Fuk 17“) mit drei Sendefestfrequenzen im Mittelwellenbereich (1.000 — 1.333 — 2.000 KHz; Empfänger: 86 — 2.000 kHz) und einer Reichweite von bis zu 150 km mit Teleskop- bzw. Steckmast war noch ein in 1918 eingeführter „gedämpfter“ Lösch-/Tonfunkensender.
Bild:
Empfänger E 213a der Kleinen Funkenkleinstation 17 („K‑Fuk 17“)
Ab Ende Mai 1918 wurden dann die ersten 100 „ungedämpften“ Röhrensender/-empfänger ausgeliefert: Einerseits das sogenannte „U.S.D.-Gerät“, „U.S.-Gerät 18“ bzw. „D‑Gerät“ ARS 68 (U.S. = Ungedämpfte Schwingung; D = fortlaufende Bezeichnung) mit einem Gesamtgewicht des kombinierten Sendeempfängers von 16,4 kg, einer Sendeleistung von 15 W und einem Frequenzbereich von 187,5 — 1.000 MHz,
Bild:
Sender/Empfänger ARS 68 des „D‑Geräts“
andererseits das sogenannte „U.S.F.-Gerät“ bzw. „F‑Gerät“ ARS 69 (U.S. = Ungedämpfte Schwingung; F = fortlaufende Bezeichnung) mit identischem Sender wie beim ARS 68, aber getrenntem Empfänger mit einem Frequenzbereich von 150 — 1.000 MHz.
Bilder: Sender ARS 69 und Empfänger E 225 des „F‑Geräts“
ARS 68 und ARS 69 mit E 225 sollten später zu einem „Einheitsgerät“ zusammengefasst werden.
Wesentlicher Vorteil dieser ersten „ungedämpften“ Röhrensender/-empfänger gegenüber den bisherigen „gedämpften“ Lösch-/Tonfunkensendern war, daß sie eine wesentlich höhere Selektivität hatten und somit bis zu 25 auf einer durchschnittlichen Divisionsbreite in Schwerpunktbereichen von nur 2 km (!) wie vor Verdun eingesetzt werden konnten, d.h. bis zum Fünffachen gegenüber 1916.
Bis Ende 1918 wurden zwar 500 ARS 68 und 150 ARS 69 ausgeliefert, aber aufgrund der erforderlichen Umschulung des Bedienpersonals sind sie bis Kriegsende nicht mehr in vollem Umfang zum Einsatz gekommen.
Auch die in 1918 noch durchgeführte Erprobung der Großen Funkenkleinstation 16 („G‑Fuk 16“; siehe Post 13) im ersten deutschen (Sturm-)Panzer A7V wirkte sich bis Kriegsende 1918 im Einsatz nicht mehr aus.
Bei Kriegsende 1918 betrug die Kopfstärke der Nachrichtentruppe – ohne Truppen-Nachrichtentruppenteile und ‑teileinheiten mit ca. 150.000 Angehörigen – 4.381 Offiziere sowie rund 185.000 Unteroffiziere und Mannschaften (d.h. mehr als der heutige Gesamtumfang der Bundeswehr !) in über 2.800 Stäben und Truppenteilen der Nachrichtentruppe, dabei u.a.:
- 380 Fernsprechabteilungen;
- 279 Funkabteilungen;
- 251 Fliegerfunk- und ‑empfangsstationen;
- 617 Divisions-Brieftaubenschläge;
- 72 Heeres-Blinker-Züge
- 17 Armee-Meldehundstaffeln
- 292 Abhör-/Arendt-Stationen zur Fernsprechaufklärung;
- 25 Nachrichten-Ersatzabteilungen;
- 27 Nachrichtenschulen.
Gegenüber den 800 Offizieren sowie 25.000 Unteroffizieren und Mannschaften, die zu 120 — 130 Stäben und Truppenteilen gehörten, mit denen bei Kriegsbeginn 1914 die deutschen Telegraphentruppen nach ihrer Mobilmachung ins Feld gerückt waren, war dies fast das 5,5‑fache an Offizieren, fast das 7,5‑fache an Unteroffizieren und Mannschaften sowie das ca. 22,5 fache an Stäben und Truppenteilen.
Alles das war nun nach Abschluß des Waffenstillstands am 11. November ab 1. Dezember 1918 zu demobilisieren, d.h. die große Masse des Personals nach der Rückführung zu entlassen und das meiste Material entweder abzuliefern oder unbrauchbar zu machen. Dabei gingen die Wirren der Revolution in Deutschland ab 29. Oktober 1918 (Meuterei der Matrosen der Hochseeflotte in Kiel) auch an der Nachrichtentruppe nicht spurlos vorüber.
Zum Beispiel ergab ein Appell bei der Nachrichten-Ersatzabteilung 8 in Koblenz am 08. November 1918, daß 500 von den 1.250 Mann in der Nacht fahnenflüchtig geworden waren. In Koblenz wurde ein Garnisonssoldatenrat gebildet, dem die Soldatenräte der Truppenteile unterstanden. Die Offiziere sollten im Dienst bleiben, soweit sie von ihren Mannschaften gewählt wurden; ihre disziplinaren Befugnisse gingen zunächst auf den Soldatenrat über. Sieben berittene Patrouillen der Abteilung versuchten – teilweise mit Erfolg – Plünderungen in Koblenz zu verhindern; der Koblenzer Bahnhof musste ebenfalls bewacht werden.
Ergänzend dazu Auszüge aus einem Bericht, den der damalige Kommandeur der Nachrichten-Ersatzabteilung8, Major Barnay verfasst hat: „Am 11.11.1918 war der Waffenstillstand in Compiegne unterzeichnet, die Räumungsfristen bekannt gegeben. Es galt soviel Heeresgut als möglich zu retten: Es gelang, einige Rheinkähne zu chartern und in tagelanger Arbeit allein für 10 Goldmillionen Kupferdraht ins unbesetzte Gebiet abzuschieben. Die in der Abteilung noch vorhandene Disziplin lockerte sich von Woche zu Woche, als die Leute sahen, daß bei anderen Formationen sämtliche Schranken gefallen waren. Ich war deshalb froh, als der Abtransport für den 26.11. befohlen wurde, war doch zu hoffen, daß man auf dem Lande die Leute wieder in die Hand bekäme. Die Rheinländer wurden entlassen. Die Geschirrkammer, Fahrzeuge, Geräte wurden fast vollständig verladen. Auch ein Teil der Möbel des Offizierkasinos, das gesamte Silber und Kristall wurden mitgenommen. Es war in zwei Waggons verpackt und wurde in dem einen Waggon von meinem Burschen, im anderen von mir mit dem Revolver in der Hand gegen Versuche verteidigt, es schon in Koblenz wieder zu entladen. Am 26. November, 10 Uhr abends, verließen wir dann die Stadt, die 19 Jahre Garnison unseres Telegraphen-Bataillons 3 gewesen war. Unser Bestimmungsort war Bohmte bei Osnabrück und Bad Essen. Hier und in einigen weiteren Dörfern des Kreises Wittlage sollte die Abteilung, die 7.000 Mann und 4.000 Pferde ihrer Feldformationen demobilmachen. Viel Zeit war nicht zu verlieren. Die Kartothek war durch Mitnahme des nötigen Zivilpersonals aus Koblenz gesichert. Januar und Februar 1919 werden mir stets als die schwersten Monate meiner militärischen Dienstzeit in Erinnerung bleiben. Die Abteilung bestand, da die aktiven Jahrgänge sofort entlassen wurden, fast nur aus den Jahresklassen 1898/99. Diese unreifen, im Kriege verwilderten jungen Menschen soweit im Zaum zu halten, daß wenigstens das Allernötigste, die Pferdepflege und die Instandhaltung des Materials geleistet wurde, war eine schwere Aufgabe. Soweit wie möglich wurde der Verschleuderung des Heeresgutes entgegengewirkt, doch waren die Preise, die gezahlt wurden, für Pferde und Material zu gering. Im März wurde mit der Aufstellung von freiwilligen Formationen in der Abteilung begonnen und damit der Stamm geschaffen für den Nachrichten-Zug des VIII. Armeekorps, der später in der Brigade-Nachrichten-Abteilung 110 aufging.“ Ende April 1919 wurde das Nachrichten-Ersatzbataillon 8 aufgelöst.
Diese Brigade-Nachrichten-Abteilung 110 war eine der 43 Nachrichten-Abteilungen bei den 43 gemischten Brigaden der „Vorläufigen Reichswehr“, die – neben zahlreichen, noch nicht aufgelösten Nachrichten-Truppenteilen – im Oktober 1919 auf Grundlage des Gesetzes und der Durchführungsbestimmungen vom März 1919 über die Bildung der „Vorläufigen Reichswehr“ mit einer Gesamtpersonalstärke von 425.652 bestanden.
Aufgrund der Bestimmungen des Versailler Vertrages von Ende Juni 1919 zur Reduzierung der Gesamtpersonalstärke der Reichswehr auf 100.000 begann aber ab 1. Oktober 1919 auch schon eine Umbildung in das sogenannte „Übergangsheer“ mit 20 Brigaden, die jeweils eine Nachrichten-Abteilung mit einer „Fernsprech-Abteilung“, einem Brieftaubenschlag und einer „Horch-Abteilung“ sowie zusätzlich fünf Nachrichten-Kompanien auf Regimentsebene (3x InfRgt sowie je 1x Kav- und ArtRgt) hatten.
Bild: Führungsstruktur des „Übergangsheeres“ ab 1. Oktober 1919
Die letztliche Ablehnung einer Erhöhung der Gesamtpersonalstärke der Reichswehr auf 200.000 durch die alliierten Siegermächte des 1. Weltkriegs Anfang Juli 1920 führte u.a. auch zu einer weiteren Reduzierung auf 10 Nachrichten-Abteilungen bis Oktober 1920 und schließlich auf sieben Nachrichten-Abteilungen ab 1. Oktober 1920.
Bild:
Umgliederungen der Nachrichten-Abteilungen ab August 1920
Mit einer Personalstärke von 12 Offizieren sowie 300 Unteroffizieren und Mannschaften pro Nachrichten-Abteilung hatte somit die gesamte Nachrichtentruppe ab Ende 1920 nur noch ca. 2.300 Angehörige – d.h. nur noch ca. 1,2 % ihrer Gesamtpersonalstärke bei Kriegsende in 1918 und nur ca. 36 % ihrer Friedenspersonalstärke in 1914, aber da die gesamte Reichswehr nur noch ca. 12 % der „Alten Armee“ von 1914 umfasste, war die Nachrichtentruppe relativ sogar auf das Dreifache gewachsen und hatte damit indirekte Anerkennung ihrer Bedeutung sowie Leistungen im 1. Weltkrieg gewonnen …
Quelle:
Tafel 22 und 23 der Bildtafelausstellung “Fernmeldetruppen – Gestern und heute”
Weitere Quellen und zusätzliche Informationen zum Thema:
- Das Telegraphen- und Nachrichtenwesen von den Anfängen bis 1939 nach Generalmajor Erich Fellgiebel – in: Telegraphen-/ Nachrichten-/ Fernmeldetruppen und Führungsdienste – Führungsunterstützung seit 1899, Hrsg.: Fernmeldering e.V. 1999 – S. 19 ff.
- Telegraphen-/Nachrichten-/Fernmeldetruppen und Führungsdienste – Führungsunterstützung seit 1899, Hrsg.: Fernmeldering e.V. 1999 – S. 225 ff.
- Recke, Hans-Joachim: Die Entwicklung der Telegraphen- und Nachrichtentruppe, in: Antenne-Sonderausgabe „100 Jahre Fernmeldetruppen“, FmS/FSHElT 1999 – S. 6 ff.
- „Das Telegraphen-Bataillon 3“ auf der Internet-Seite von Kameradschaft der Fernmelder Koblenz/Lahnstein e.V. unter „Fm … und mehr“/„Historie“ www.diefernmelder.de/das-telegraphen-bataillon‑3.html
- Fernmeldetruppe und Militär auf der Seite von Oberst a.D. Mil. Historiker Dipl. Ing.oec. Hans-Georg Kampe (†)
- Larsen, Uwe: Meilensteine der Kommunikationstechnik für das Fernmeldewesen des Heeres, in: „Antenne“-Sonderausgabe „100 Jahre Fernmeldetruppen“, FmS/FSHElT 1999 – S. 18 ff.
- N.N.: Telefunken im deutschen Heere, in: Telefunken-Zeitung Nr. 15, Mai 1919 –
S. 11 ff. - Grabau, Rudolf: Einführung der Glühkathodenröhre in die Funkgeräteausstattung des deutschen Heeres, in: Funkgeschichte Nr. 169, Oktober 2006 – S. 228 ff.
- Eintrag zu ARS 68 bei www.radiomuseum.org
- Eintrag zu E 213a bei www.radiomuseum.org
- Kampe, Hans-Georg: Die Heeres-Nachrichtentruppe der Wehrmacht 1935 — 1945, 1994 – S. 7 ff.