Nach Vorstellung der Bildtafeln zu Führer- und Nachrichten-Rahmenübungen, Nachrichtentruppen-Übungsreisen sowie zur Zusammenarbeit der Nachrichtentruppe mit der Reichspost wird die Serie zu o.a. Bildtafelausstellung mit der Vorstellung der Bildtafeln zum Inspekteur der Nachrichtentruppe Oberst Erich Fellgiebel und zum Aufbau der Heeres-Nachrichtentruppe im Zeitraum 1933 — 1938 fortgesetzt.
Oberst a.D. Peter Uffelmann
Vorbemerkung:
Der spätere General der Nachrichtentruppe Erich Fellgiebel hat aufgrund seiner Mitwirkung am militärischen Widerstand vom 20. Juli 1944 [1] einen festen Platz in der Tradition der Bundeswehr und auch in der Traditionspflege des Fernmelderings e.V.. Die aktuellen RICHTLINIEN ZUM TRADITIONSVERSTÄNDNIS UND ZUR TRADITIONSPFLEGE der Bundeswehr enthalten jedoch zum Thema „Wehrmacht“ unter Nr. 3.4.1 folgende Klarstellung, auf die in diesem Zusammenhang hingewiesen werden soll: „Der verbrecherische NS-Staat kann Tradition nicht begründen. Für die Streitkräfte eines demokratischen Rechtsstaates ist die Wehrmacht als Institution nicht traditionswürdig. Gleiches gilt für ihre Truppenverbände sowie Organisationen, die Militärverwaltung und den Rüstungsbereich. Die Aufnahme einzelner Angehöriger der Wehrmacht in das Traditionsgut der Bundeswehr ist dagegen grundsätzlich möglich. Voraussetzung dafür ist immer eine eingehende Einzelfallbetrachtung sowie ein sorgfältiges Abwägen. Dieses Abwägen muss die Frage persönlicher Schuld berücksichtigen und eine Leistung zur Bedingung machen, die vorbildlich oder sinnstiftend in die Gegenwart wirkt, etwa die Beteiligung am militärischen Widerstand gegen das NS-Regime oder besondere Verdienste um den Aufbau der Bundeswehr.“
Bereits als Leiter der Chiffrierstelle in der Abwehrabteilung (Abwehr II Chi) des Reichswehrministeriums (Oktober 1929 — März 1931) hatte der damalige Major i.G. Erich Fellgiebel Einfluß auf die Entwicklung und Organisation von Teilen der Nachrichtentruppe (NachrTr) nehmen können: In den Zeitraum seiner dortigen Tätigkeit fallen die Einrichtung einer Haupt-Horchstelle bzw. Horch-Leitstelle mit Zentralauswertung zur Steuerung der Festen Horchstellen und zur Auswertung ihrer Ergebnisse sowie die Aufstellung zunächst eines mobilen Horchzuges und danach einer motorisierten Versuchs-Horchkompanie (siehe Post 15). Auch die Einführung der ersten Schlüsselwalzenmaschine „ENIGMA I“ (siehe Post 17) erfolgte während dieser Zeit.
Und auch schon als Chef des Stabes der Inspektion der NachrTr (In7) im Reichswehrministerium (Februar 1933 — Ende September 1934) hatte Fellgiebel er als Oberstleutnant i.G. maßgeblichen Einfluß auf die weitere Entwicklung und den Aufbau der NachrTr durch Weiterentwicklung der Stabs- und Nachrichten-Rahmenübungen zur Verbesserung der Führungsfähigkeit der Divisions- und Korpsstäbe unter Zusammenarbeit mit den territorial zuständigen Reichspostdirektionen (RPD). Auch die 1934 durchgeführte „Übungsreise der NachrTr“ zur Aus- und Weiterbildung künftiger Höherer Nachrichtenführer und Kommandeure von Nachrichtenregimentern (NachrRgt) sowie zur Überprüfung der neu erarbeiteten Kriegsgliederungen eines Armee-NachrRgt sowie der Korps- und DivNachrAbt (siehe Post 18) war bereits wesentlich durch ihn geprägt.
Darüber hinaus hatte er schon in dieser Zeit begonnen, die NachrTr neu zu konzipieren sowie die bis dahin eher lose Bindung zwischen der NachrTr und der Deutschen Reichspost (DRP) zu festigen. Seiner Weitsicht entsprang dabei u.a. die ab Mitte der 1930-er Jahre immer enger werdende Zusammenarbeit mit der DRP sowohl auf der Führungsebene der Ministerien, als auch auf der Durchführungsebene von NachrAbt und RPD.
Erich Fellgiebel Anfang bzw. Mitte der 1930-er Jahre
Grundlagen für die Neukonzipierung der NachrTr waren zunächst der sogenannte „Aufstellungsplan“ aus 1930, das 1933 anlaufende „2. Rüstungsprogramm“ [2] und der bis 1938 reichende sogenannte „Umbauplan“ des Heeres von 1932: Demnach sollte bis 1938 ein 21-Divisionen-Heer mit einer Gesamtpersonalstärke von 300.000 aufgestellt werden, aus dem nach Mobilmachung ein Kriegsheer mit 63 Divisionen aufwachsen sollte.
Ab Oktober 1934 zum Inspekteur der NachrTr ernannt und als erster der NachrTr entstammend, hatte Oberst Erich Fellgiebel in den nächsten vier Jahren die Aufgabe und Gelegenheit, die NachrTr im Rahmen der allgemeinen Wiederaufrüstung entsprechend auszubauen und auszurichten. Dabei kam es darauf an, einerseits die schnell fortschreitende Entwicklung der Nachrichtentechnik im Auge zu behalten (siehe Post 17) sowie beim Wiederaufbau der Heeres-Nachrichtentruppe zu berücksichtigen. Andererseits mussten hinsichtlich Ausrüstung sowie Ausbildung der Nachrichtentruppe und des richtigen bzw. zweckmäßigen Einsatz ihrer technischen Nachrichtenmittel die Schlussfolgerungen aus der Erkenntnis durchgesetzt werden, daß im 1. Weltkrieg die verfügbaren Nachrichtenmittel nicht hinreichend genutzt worden waren.
Die 1. Aufstellungsetappe der Heeres-Nachrichtentruppe (1933–1935), in deren Verlauf – zunächst noch getarnt – 33 neue NachrAbt aufstellt wurden, hatte dabei bereits ab April 1933 begonnen, wozu als erste Maßnahmen die Zahl der Offizieranwärter der NachrTr auf das fünf- bis achtfache erhöht und jeder NachrAbt zusätzliche Rekruten zur Aufstellung einer zweiten Funkkompanie – zur Tarnung als „Lehr- und Versuchskommando“ bezeichnet – zugeteilt wurden. Zudem verstärkte man das Offizierkorps der NachrTr durch Reaktivierung von ehemaligen Nachr-Offizieren.
Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes über den Aufbau der deutschen Wehrmacht – u.a. mit nun 36 Divisionen und einer Gesamtpersonalstärke von ca. 700.000 – sowie der Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht fielen ab März 1935 die letzten Schranken auch beim Wiederaufbau der Heeres-NachrTr: Dabei waren bereits ab Oktober 1934 aus den sieben NachrAbt der Reichswehr durch „Zellteilung“ und unter Eingliederung der drei „Truppen-Nachrichtenschwadronen“ der Kavalleriedivisionen in die NachrTr zusätzliche 11 NachrAbt aufgestellt worden.
Beispiel für Neuaufstellungen von NachrAbt (1933 — 1935)
Als letztes Kontingent der 1. Aufstellungsetappe wurden ab Oktober 1935 – nunmehr offen – von den bis dahin bestehenden 18 NachrAbt weitere 10 Divisions- und 11 Korps-NachrAbt gebildet (siehe Bildtafel 30, links – obere Tabelle).
Gliederung von Divisions- und Korps-NachrAbt (Stand: Oktober 1935)
Ab April 1936 begann die 2. Aufstellungsetappe der Heeres-Nachrichtentruppe (1936 — 1937), in deren Verlauf weitere 12 DivNachrAbt (ohne Umbenennungen) und vier Korps-NachrAbt aufgestellt wurden, und ab April 1938 begann nach dem Anschluß von Österreich unter Eingliederung der sechs österreichischen Telegraphenbataillone die 3. Aufstellungsetappe (1938 — 1939), während der noch 16 weitere NachrAbt aufgestellt werden sollten, wovon es allerdings bei sieben nur für eine NachrKp reichte (siehe Bildtafel 30, links – mittlere und untere Tabelle).
Aufgrund des abgelehnten Personalbedarfs war es ebenfalls nicht gelungen, auch nur gekaderte NachrRgt für die Heeresgruppen und Armeen aufzustellen – die hieraus resultierenden Probleme sollten zumindest in den ersten Wochen des 2. Weltkriegs erhebliche Schwierigkeiten verursachen.
Immerhin gelang es zumindest in der Führungsorganisation der NachrTr einige Anpassungen bzw. Ergänzungen vorzunehmen: So wurden die Nachr-Stabsoffiziere bei den Gruppenkommandos 1934 zunächst in „Nachr-Inspizienten“ umbenannt und ab Oktober 1935 als „Höhere Nachr-Offiziere“ für die Überwachung der Einheitlichkeit der Ausbildung der NachrTr im jeweiligen Gruppenbereich zuständig. Unterstützt wurden sie bei Verwaltung und Prüfung der Nachr-Mittel durch sogenannte „Geräte-Inspizienten“. Auf Korpsebene nahmen ab November 1935 „Kommandeure der NachrTr“ ihre Tätigkeit als Berater der Kommandierenden Generale auf, die ebenfalls die Einheitlichkeit der Ausbildung der NachrTr im jeweiligen Korpsbereich zu überwachen hatten. Sowohl die „Höheren Nachr-Offiziere“, als auch die „Kommandeure der NachrTr“ waren bei Mobilmachung als Kommandeure der dann zu bildenden NachrRgt vorgesehen.
Parallel zur Aufstellung der ersten zusätzlichen NachrAbt begannen hinsichtlich des „Horchdienstes“ Überlegungen zur Aufstellung weiterer Fester Horchstellen und zur Bildung regulärer, beweglich einsetzbarer Horchkompanien nach dem Vorbild der bisherigen Versuchs-Horchkompanie sowie zur Abgrenzung ihrer Aufgaben untereinander: Da aufgrund der Personallage zunächst aber die Aufstellung weiterer Fester Horchstellen nicht möglich war, entschloß man sich aufgrund der Übungsergebnisse mit der bisherigen Versuchs-Horchkompanie (siehe Post 15) zur Aufstellung von Horchkompanien für die Armee-Ebene – Horchaufklärung auch auf taktischer Ebene (siehe Post 18) wurde damit vorläufig zurückgestellt. Diese Horchkompanien waren jedoch auf die Ergebnisse der Festen Horchstellen – insbesondere der Betriebsauswertung gegnerischer Funkverkehre – angewiesen, so daß es nicht auf eine Abgrenzung ihrer Aufgaben, sondern vielmehr ihre Zusammenarbeit ankam.
Zur Ausbildung des Personals für die Aufstellung von Horchkompanien wurde im Sommer 1935 die bisherige Versuchs-Horchkompanie unter Eingliederung des „Nachrichten-Lehr- und ‑Versuchs-Kommandos GÖTTINGEN“ in eine Horch-Lehr- und Versuchs-Kompanie innerhalb der Nachrichten-Lehr- und ‑Versuchs-Abteilung der Heeresnachrichtenschule umgegliedert. Aus dem dort ausgebildeten Personal, aus Abgaben der Festen Horchstellen sowie aus den „Nachrichten-Lehr- und ‑Versuchs-Kommandos LIEGNITZ und KÖNIGSBERG“ wurden dann bereits im Oktober 1935 fünf Horchkompanien aufgestellt, die friedensmäßig als jeweils dritte Kompanien in Divisions-NachrAbt eingegliedert wurden, obwohl dort ihre Ausbildung sowie Inübunghaltung kaum möglich war und deshalb die Aufstellung von Horch-Abteilungen zweckmäßiger gewesen wäre. In 1936 wurden auf diese Weise zwei weitere Horchkompanien aufgestellt und ebenfalls als jeweils dritte Kompanien in Divisions-NachrAbt eingegliedert, so daß ab 1937 insgesamt sieben Horchkompanien bestanden, von denen je drei für die West- und Ost-Aufklärung sowie eine für die Süd-Aufklärung vorgesehen waren.
Die Friedens-Personalstärke dieser Horchkompanien betrug 6/48/193/247 und sie verfügten über 56 KFz sowie 29 Kräder. Gegliedert waren sie in je einen
- Horchzug mit 30 Horchempfängern,
- Peilzug mit acht Peiltrupps und vier Rückmeldesendern für vier Peilstellen,
- Auswertezug,
- Nachr-Zug (Krad-Meldestaffel, interne Draht-Vbdg, Anschluß abgesetzter Peiler, FSpr-/Fschr-/FuVbdg zu vorgesetzten Stellen).
Während des Baus des Westwalls in 1938 wurde aus drei dieser Horchkompanien, einer Festen Horchstelle und einer Horch-Auswertestelle versuchsweise eine Horch-Abteilung gebildet und entlang der deutsch-französischen Grenze zwischen Schweizer und belgischer Grenze eingesetzt, um Ostfrankreich und den Grenzraum hinter der Maginot-Linie auf eventuelle französische Truppenbewegungen oder Manöver zu überwachen.
Einsatz der Versuchs-Horch-Abteilung am Westwall (1938)
Trotz ihres insgesamt erfolgreichen Einsatzes wurden jedoch hieraus nur teilweise organisatorische Konsequenzen gezogen: Die Heeresgruppen erhielten lediglich eine Horch-Auswertestelle, nicht aber den Stab einer Horch-Abteilung.
Zur Horchaufklärung auch auf taktischer Ebene wurden nach Aufstellung der Korps-NachrAbt ab 1936 zunächst deren Funkkompanien Horchzüge angegliedert, was aber aufgrund der fehlenden Ausbildungs- und Übungsmöglichkeiten, fehlender Dolmetscher für den gegnerischen Sprechfunkverkehr sowie schwieriger rechtzeitiger Übermittlung ihrer Ergebnisse an die Divisionen wenig zweckmäßig war und dazu führte, nun „Nahaufklärungszüge“ („NAZ“) für Sprechfunk- und Fernsprech-Aufklärung bei den Funkkompanien der DivNachrAbt aufzustellen, was aber z.T. aus denselben Gründen ebenfalls zunächst wenig erfolgreich war. Auch ihr teilweise erfolgreicher Einsatz während des Baus des Westwalls in 1938 führte nicht zu ihrer organisatorischen Zusammenfassung in „Nahaufklärungskompanien“ („NAK“) im Rahmen von Horch-Abteilungen, weil hierdurch ebenfalls Verzögerungen in der rechtzeitigen Übermittlung ihrer Ergebnisse an die Divisionen befürchtet wurden.
Bei den Festen Horchstellen bzw. Festen Funkempfangsstellen (FFESt) kam es ab 1934 sowohl zu einigen örtlichen Verlegungen, als auch einigen Neuaufstellungen: So wurde die FFESt Frankfurt/Oder 1934 zunächst nach Jüterbog verlegt, um dann 1938 zur Aufstellung einer neuen Wehrmachts-FFESt in Treuenbrietzen herangezogen zu werden – diese wurde zudem FFESt-Leitstelle. Eine weitere Wehrmachts-FFESt wurde in Lauf aufgestellt sowie drei neue Heeres-FFESt in Euskirchen, Husum und – nach dem Anschluß von Österreich – in Tulln an der Donau. Ebenfalls nach dem Anschluß von Österreich wurde 1938 die FFESt Söcking nach Graz/Liebenau verlegt sowie 1939 die FFESt Königsberg nach Cranz und die FFESt Breslau nach Striegau. 1939 bestanden somit zwei Wehrmachts-FFESt und sieben Heeres-FFESt.
Alle FFESt wurden zudem personell und materiell erheblich verstärkt: Ihre neuen Personalstärken betrugen 25 Offiziere und Beamte, 50 Unteroffiziere sowie 75 Horch-Funker und ‑Funkerinnen, ingesamt 150 Personen, was gegenüber 1925 (1/3/15/19 + fünf Horchfunkerinnen und drei Dolmetscher; siehe Post 15) mehr als eine Verfünffachung bedeutete. Darüber hinaus wurden die bisher nur vermessenen und vorbereiteten grenznahen, ortsfesten „Grenzpeileinsatzpunkte“ (GPEP; siehe Post 15) unter der Tarnbezeichnung „Funksicherungsstellen“ (FSSt) als vorgeschobene Empfangs- und Peilstellen ausgebaut sowie in Dauerbetrieb genommen. Damit konnten die FFESt mit ihren FSSt jeweils durchschnittlich 20 Empfänger einschließlich mindestens zwei Peilempfänger einsetzen.
Die Festen Horchstellen und ihre Aufklärungsrichtungen
sowie die Standorte der Horchkompanien
Mit Bildung des Reichsluftfahrtministeriums (RLM) ab Ende April 1933 war seitdem dort unter Leitung von Major, ab 1934 Oberstleutnant Wolfgang Martini zunächst als „Luft-Nachrichtenverbindungs-Offizier“, später als Leiter der Abteilung „Nachrichtenverbindungswesen“ (NVW) mit dem zunächst noch geheimen Wiederaufbau einer „Fliegerfunktruppe“ für Bordfunkverbindungen sowie Flugsicherung begonnen worden und so ein neuer Bereich entstanden, der die bisherige alleinige Zuständigkeit des Heeres und des Inspekteurs der NachrTr für NachrVbdg und ‑Aufklärung sowie für die Zusammenarbeit mit der Deutschen Reichspost (DRP) in Frage stellte.
Ab der offiziellen Bekanntgabe der Bildung einer Luftwaffe im März 1935 wurde die bisherige „Fliegerfunktruppe“ nun als Luftnachrichtentruppe (LnTr) bezeichnet. Den Stamm ihres Offizierskorps bildeten dabei 15 aktive Nachr-Offiziere des Heeres, die zur Luftwaffe wechselten.
Auf regionaler Ebene der „Luftkreise“ (analog zu den „Wehrkreisen“ des Heeres) wurden anfangs LnKp für Fernsprech‑, Fernschreib- und Funkbetrieb sowie für Funkkhorchdienst, zum Ausbau von NachrVbdg und zur Flugsicherung aufgestellt, die später zu LnAbt und schließlich zu LnRgt auf Ebene der „Luftgaue“ ausgebaut wurden, wobei ihre grundsätzlichen Aufgaben dieselben blieben. Eine LnAbt mit vier Kompanien wurde im Rahmen der „Legion Condor“ in Spanien (1936 — 1939) eingesetzt, wobei wichtige Erfahrungen für Organisation, Ausrüstung (siehe Post 17) und Einsatz gesammelt werden konnten. 1938 wurde noch der Flugmeldedienst in die LnTr eingegliedert, was später noch um Funkmeß- und Jägerleit-Dienst sowie Funkmeß-Aufklärung, ‑Störung und ‑Täuschung erweitert wurde.
Auf örtlicher Ebene der Fliegerhorste wurden zunächst „Flieger-Nachr-Stellen“ eingerichtet, die ab 1935 als Ln-Stellen bezeichnet wurden und welche die örtlichen Fernsprechvermittlungen, Fernschreib‑, Funk- und Funkpeilstellen sowie Wetter-Funkstellen umfassten.
1937 wurden spezielle Ln-Verbindungstrupps zum Heer aufgestellt, die als Fliegerleittrupps eingesetzt werden sollten.
Auch die Bordfunker der Flugzeugbesatzungen gehörten der LnTr an, die 1938 bereits eine Personalstärke von 35.460 hatte, bis zum Frühsommer 1939 auf 60.000 aufgewachsen war und nach Abschluß der Mobilmachung 138.000 umfasste.
Ab 1934 wurde im Zusammenhang mit dem zunächst noch heimlichen Aufbau der Luftwaffe und unter Abstützung auf das Fern-Leitungsnetz der DRP begonnen, ein Luftwaffen-Grundnetz und mehrere Sonder-Nachrichtennetze in Form von raumdeckenden Gitternetzen mit Vermittlungen der LnTr aufzubauen, die alle über 200 Fliegerhorste, Stäbe, Kommandobehörden und sonstigen Dienststellen der Luftwaffe im 24-Std-Dauerbetrieb erreichbar machen sollten.
Außerdem wurde ab 1935/36 unter der Tarnbezeichnung „Wetterfunk-Empfangsstellen“ bei den LnRgt ein Luftwaffen-Funkhorchdienst aufgebaut, der zentral durch die Chiffrierstelle im Oberkommando der Luftwaffe gesteuert wurde.
Beides führte zu immer größer werdendem, teilstreitkraftübergreifendem Koordinierungsbedarf sowohl mit der DRP, als auch wehrmachtsintern hinsichtlich der Funkaufklärung, für den jedoch bisher nur die zwei Verbindungsoffiziere der Heeres-NachrTr im Reichspostministerium (RPM) und im Reichspostzentralamt (RPZ) bzw. die Chiffrierstelle in der Abwehrabteilung des Ministeriums vorhanden waren. Zunehmend wurden deshalb insbesondere die militärischen Forderungen der Luftwaffe an die DRP, aber in geringerem Maß ab 1935 auch die der Marine, direkt und zudem meist unabgestimmt an die territorial zuständigen RPD übermittelt.
Ende November 1936 schlug daher der Inspekteur der Heeres-NachrTr, Oberst Fellgiebel ministeriumsintern vor, ab Oktober 1937 unter seiner Gesamtleitung „Fernmelde-Linien-Kommissionen“ als Verbindungsstellen zu den RPD zu bilden. Gegenüber dem RPM ergänzte er diesen Vorschlag im Dezember 1936 um eine „Kommission für das Nachrichtenwesen der Reichsverteidigung“ bestehend aus ihm selbst und dem RPM-Referatsleiter für Reichsverteidigung, zu der ggf. Berater aus Luftwaffe und Marine hätten hinzugezogen werden können. Das RPM unterstützte zwar diesen Vorschlag, Luftwaffe und Marine aber stimmten nicht zu.
Daraufhin schlug er im Frühjahr 1937 vor, im Ministerium ab Oktober 1937 eine Abteilung „Wehrmachts-Nachrichtenverbindungen“ unter seiner Leitung als Inspekteur der Wehrmachts-Nachrichtenverbindungen (in Personalunion mit seiner Funktion als Inspekteur der Heeres-NachrTr) zu schaffen sowie Wehrmachts-Nachrichtenkommandanturen bei den RPD aufzustellen.
Nachdem Luftwaffe und Marine diesem Vorschlag zugestimmt hatten, wurde ab Oktober 1937 die Abteilung „Wehrmachts-Nachrichtenverbindungen“ gebildet und Oberst Fellgiebel wurde zusätzlich Inspekteur der Wehrmachts-Nachrichtenverbindungen.
Führungsorganisation des Heeres- und Wehrmachts-Nachrichtenwesens (Stand: 12.10.1937
Ihre Koordinierungsfunktion bezog sich jedoch bis September 1939 nur auf die militärischen Forderungen der Teilstreitkräfte an die DRP, nicht aber gegenüber den für das Nachrichtenwesen zuständigen Stellen der Teilstreitkräfte, da insbesondere die Luftwaffe ihre Eigenständigkeit auch bei ihren Nachrichtenverbindungen hartnäckig verteidigte.
Ab Oktober 1937 wurden dann auch 16 Wehrmachts-Nachrichtenkommandanturen bei den RPD aufgestellt (10 durch das Heer, fünf durch die Luftwaffe und eine durch die Marine), die jedoch erhebliche Anfangsschwierigkeiten hatten, ihre Aufgaben wahrzunehmen, da sie – im Gegensatz zu den RPD – von vielen Wehrmachtsdienststellen zunächst nur als zeitliche Verzögerung betrachtet wurden, so daß diesen Ende Februar 1938 direkte Kontakte mit den RPD explizit verboten werden mussten.
Wehrmachts-Nachrichtenkommandantur (Stand: 12.10.1937)
Bei den RPD war aus dem früheren „Telegraphen-Bevollmächtigten“ (TBev) inzwischen ein TBev-Referat mit acht Personen geworden und im RPM war das bisherige Reichsverteidigungsreferat zu einer Gruppe „Reichsverteidigung“ unter Leitung eines Ministerialrats aufgewachsen.
Die bisherige Chiffrierstelle in der Abwehrabteilung des Reichswehrministeriums wurde mit Aufstellung des Oberkommandos der Wehrmacht (OKW) ab Februar 1938 – unter Ausgliederung von Teilen als Horchleitstelle für das Oberkommando des Heeres (OKH) sowie unter Eingliederung von Luftwaffen- und Marinepersonal – in die OKW-Chiffrierabteilung umgegliedert.
Beides war aber eher nachteilig: Sowohl die organisatorische Trennung der Chiffrier- von der Abwehrabteilung im OKW, als auch die fehlende Verbindung der Horchleitstelle zu den Abteilungen „Fremde Heere Ost“ und „Fremde Heere West“ im OKH bedeuteten fachlich einen Rückschritt.
Ingesamt betrachtet ist es aber Oberst Fellgiebel als Inspekteur der Heeres-NachrTr seit 1934/35 und als Inspekteur der Wehrmachts-Nachrichtenverbindungen seit 1937 gelungen, bis 1938 sowohl eine modern ausgestattete, gut ausgebildete und zweckmäßig gegliederte Heeres-Nachrichtentruppe aufzubauen, die mit Ausnahme der fehlenden NachrRgt sowie Horch-Abt auf Armee- und Heeresgruppen-Ebene den voraussehbaren Anforderungen bei NachrVbdg und ‑Aufkl entsprach, als auch die Zusammenarbeit von Heer, Luftwaffe und Kriegsmarine mit der DRP durch die Abteilung „Wehrmachts-Nachrichtenverbindungen“ und die Wehrmachts-Nachrichtenkommandanturen auf eine neue teilstreitkraftübergreifende, streitkräftegemeinsame Grundlage zu stellen.
Quellen:
Tafel 29 und 30 der Bildtafelausstellung “Fernmeldetruppen – Gestern und heute”
Weitere Quellen und zusätzliche Informationen zum Thema:
- Das Telegraphen- und Nachrichtenwesen von den Anfängen bis 1939 nach Generalmajor Erich Fellgiebel – in: Telegraphen-/ Nachrichten-/ Fernmeldetruppen und Führungsdienste – Führungsunterstützung seit 1899, Hrsg.: Fernmeldering e.V. 1999 – S. 19 ff.
- Randewig, Kunibert: 50 Jahre Deutsche Heeres-Funk- und Nachrichtenauklärung – Ein Rückblick im Jahre 1964 auf ihre organisatorische Entwicklung von 1914 — 1945, in: Telegraphen-/ Nachrichten-/ Fernmeldetruppen und Führungsdienste – Führungsunterstützung seit 1899, Hrsg.: Fernmeldering e.V. 1999 – S. 39 ff
- N., N.: Militärische Nutzung der Fernmeldenetze der Deutschen Reichspost 1918 — 1945, in: Telegraphen-/ Nachrichten-/ Fernmeldetruppen und Führungsdienste – Führungsunterstützung seit 1899, Hrsg.: Fernmeldering e.V. 1999 – S. 113 ff.
- Telegraphen-/Nachrichten-/Fernmeldetruppen und Führungsdienste – Führungsunterstützung seit 1899, Hrsg.: Fernmeldering e.V. 1999 – S. 225 ff.
- Recke, Hans-Joachim: Die Entwicklung der Telegraphen- und Nachrichtentruppe, in: Antenne-Sonderausgabe „100 Jahre Fernmeldetruppen“, FmS/FSHElT 1999 – S. 6 ff.
- Fernmeldetruppe und Militär auf der Seite von Oberst a.D. Mil. Historiker Dipl. Ing.oec. Hans-Georg Kampe (†)
- Kampe, Hans-Georg: Die Heeres-Nachrichtentruppe der Wehrmacht 1935 — 1945, 1994 – S. 21 ff.
- Goebel, Dieter: Telegraphen-/Nachrichten-/Fernmelde-Truppen – Organisationsdar-
stellung 1830 — 1980, FmS/FSHEloT 1980 - Randewig, Kunibert: Die Organisation der deutschen Nachrichtenaufklärung 1918 — 1945, in: Praun, Albert: Eine Untersuchung über den Funkdienst des russischen, britischen und amerikanischen Heeres im Zweiten Weltkrieg vom deutschen Standpunkt aus, unter besonderer Berücksichtigung ihrer Sicherheit; Neumarkt — St. Veit – 1950
- Kampe, Hans-Georg: Die Heeresfunkaufklärung der Wehrmacht, Teil 1 – Der organisatorische Wiederaufbau der Funkaufklärung des deutschen Heeres; in: F‑Flagge 2–2015 – S. 48 ff.
- Panitzki, Werner: General Martini – Schöpfer der Luftnachrichtentruppe (Auszüge aus der Ansprache als Inspekteur der Luftwaffe anläßlich der Namensgebung der General-Martini-Kaserne in Osnabrück am 6. Januar 1965), in: Telegraphen-/ Nachrichten-/ Fernmeldetruppen und Führungsdienste – Führungsunterstützung seit 1899, Hrsg.: Fernmeldering e.V. 1999 – S. 147 ff.
- N., N.: Die Führungsdienste der Luftwaffe – Abriß der Entwicklung der Luftnachrichtentruppe und der Führungsdienste der Luftwaffe von den Anfängen bis 1999, in: Telegraphen-/ Nachrichten-/ Fernmeldetruppen und Führungsdienste – Führungsunterstützung seit 1899, Hrsg.: Fernmeldering e.V. 1999 – S. 151 ff.
- Wikipedia-Eintrag zu „Luftnachrichtentruppe“
- Wikipedia-Eintrag zu „Aufrüstung der Wehrmacht“
[1] Die Mitwirkung von GenNachrTr Erich Fellgiebel am militärischen Widerstand vom 20. Juli 1944 wird im Rahmen der Vorstellung von Bildtafel 41 behandelt.
[2] Das „1. Rüstungsprogramm“ von 1928 hatte u.a. ein 16-Divisionen-Heer bis 1932 zum Ziel.